Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 4688,fm
Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
39.1977, Heft 1/2.1977
Seite: 161
(PDF, 42 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1977-01-02/0163
förderliche Witterung wichtiger ist als die Geschehnisse auf der politischen Bühne.
Er will in der Beurteilung Frankreichs gerecht sein. Daß er in Napoleon den aus
verwirrten Verhältnissen herausführenden Ordner erkannte, wurde schon erwähnt.
Noch nach Napoleons Sturz aber gibt Hebel seine Sympathie für den Kaiser und
für Frankreich zu erkennen, — in Brief, Standrede und Erzählung, — was ein
utilitaristisch und opportunistisch Denkender gewiß nicht getan hätte. Das „Patriotische
Mahnwort" endlich enthält — genau gelesen — keinerlei Chauvinismus,
sondern ruft nur zur Verteidigung der engsten Heimat im Notfall auf; daneben
enthält es napoleon- und frankreichfreundliche Gegenargumente. So sagte Hebel
z. B. darin, die Franzosen hätten das „badische Land in zehn Jahren nicht so hart
angemutet und so arm gemacht als der Freund (d. h. die verbündeten Truppen)
in zwei Monaten". Außerdem wird das „Mahnwort" in den möglicherweise nationalistisch
auszuschlachtenden Partien durch die Vorrede Hebels zum Kalender für
1815 reichlich nüanciert, ja zurückgenommen und ironisiert; Hebel betrachtet dort
die Weltgeschichte von einer höheren Warte aus.

In seiner Schatzkästleinrede vom Jahre 1960 behandelte Hans Thieme „Hebels
Verhältnis zur Geschichte". Für Hebel war Geschichte kein Verhängnis, sondern
„Gottes Heilsplan". Den „Rheinischen Hausfreund" spricht Thieme z. Tl. als
„litterature engagee" an, als ein „Stück Propaganda, die in politicis nicht ganz
ernst zu nehmen, sondern ein Spiegelbild der amtlichen Politik des Landes" gewesen
sei: Jedoch verteidigt Thieme Hebel andererseits so: „Wir dürfen das nicht
krassen Opportunismus nennen und Hebel politische Gleichgültigkeit und Kurzsichtigkeit
vorwerfen . . .". Es sei, so findet Thieme, „bisweilen ein Unterton echter
Überzeugung" in Hebels Kalenderäußerungen zu vernehmen, und er gesteht Hebel
eine „Art heitere Überlegenheit" zu. Er weist aber auch mit Recht auf die „bittere
Skepsis" hin, mit der Hebel das politische Versagen der Verbündeten quittierte.
Zusammenfassend stellt Thieme fest: Hebel „ist ein Patriot, aber" — (und nun
zitiert er Wilhelm Altwegg —) „nur soweit es die angestammte Heimat betraf,
nicht für einen abstrakten Staat".

Und nun zur Biographie Hebels. Was ist im Berichtszeitraum dazu Neues von
Wert erschienen? — In seiner Schatzkästleinrede von 1962 zeichnet Friedrich
Metz, der unvergessene und unvergleichliche Altmeister der Oberrheinischen Landeskunde
(— und der Begriff „Landeskunde" schließt hierbei den geistesgeschichtlichen
Aspekt selbstverständlich mit ein! —), das Bild Hebels in der Landschaft,
aus der Hebel kam, aus der er zeitlebens geistig lebte, und die er geistig gesehen,
auch nie verließ: in der Landschaft des Markgräflerlandes. In dieser Landschaft
samt ihren morphologischen, siedlungsgeschichtlichen und verwandten oder hieraus
resultierenden Bestimmtheiten sieht Metz die Grundlagen für Hebels spätere
Lebenshaltungen und -ansichten gegeben. Metz zeigt die Eigenart der Mark-
gräfler Naturlandschaft, vergleicht sie mit Schwarzwald und Rheinebene und
zeichnet sie in der harmonischen Schönheit, durch die sie die lebenslange Sehnsucht
des nach Karlsruhe, „ins Welschkornland", wie Hebels Briefe sagen, —
befohlenen Hebel geblieben ist. Die Kulturlandschaft Markgräflerland wird als
„Bauernland" benannt, dessen wirtschaftliche und soziale Struktur von den Bedürfnissen
des Land- und Rebbaus geprägt ist. Hebel zeigt sich mit dieser Landschaft
vertraut. In dieses Bild gehört auch das ländliche Handwerk mit hinein,
ebenso auch die Eisenschmelzen und die Eisenhämmer, also die Anfänge der
Industrie. In diese kleinbäuerliche und kleinbürgerliche Welt war Hebel hineingeboren
; sie war ihm vertraut und war ihm Heimat, und ihre soziologische Struktur
blieb ihm deshalb zeitlebens das Ideal. Metz betont, daß Hebel nicht als
Schwarzwälder Dichter angesprochen werden dürfe, denn der Schwarzwald blieb
ihm eigentlich verschlossen. Das zeigt sich bildhaft darin, daß sein Heimathaus
in Hausen ein Fachwerkhaus ist, also ein Haustyp, wie ihn Vorbergzone und
Rheinebene kennen, aber nicht der Schwarzwald. So wenig das Markgräflerland,
Hebels Heimat, zum Schwarzwald gehört, so wenig gehört es auch zum Breisgau.
Es bleibt Basel zugeordnet, das recht eigentlich der wirtschaftliche und kulturelle

161


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1977-01-02/0163