http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1977-03-04/0183
„Das Erlebnis eines Buchenblattes,,, „Die Frühlingsgeister schweben durch die
Lüfte", „Das Ende des letzten Schnees" oder „Sitten und Gebräuche in unserer
Heimat". Derlei beschäftigt den Vierzehnjährigen. Daß in den Aufsätzen eines
Markgräfler Jungen Johann Peter Hebel nicht fehlen darf, ist selbstverständlich.
Darin spiegelte sich Philipp Würgers eigenes Schicksal wieder; lesen wir da
den Satz: „Doch zur Heirat kam es nicht mit dieser Gustave Fecht, der schönen
Markgräflerin". Der Siebtklässler lernt lateinisch schreiben. In seinen Aufsätzen
aber bleibt er, wie in fast allen seinen Aufzeichnungen und Gedichten
der alten deutschen Schrift treu, der heutigen Generation schwer zu entziffern.
Im Juni 1922 besucht sein« Klasse das Schwarzwaldlichtspielhaus Zell. Sie wandern
über Gresgen zu Fuß dorthin und sehen den Film „Christus". Dieser
erste Besuch eines Kinos war für Philipp ein großes Ereignis. Ein Erlebnis war
in diesem Sommer auch die Rückkehr der Glocken auf den Turm der Wieser
Heimatkirche. Im Februar 1923 beschreibt Philipp das Scheibenfeuer, das in diesem
Jahr beinahe in einem Schneetreiben unterging. Dann am 23. März erhielt
er das Abgangszeugnis der Volksschule Wies. In Religion, Lesen und Sprachlehre
, Aufsatz und Erdkunde (Heimatkunde) hatte er sehr gut, in allen anderen
Fächern gut, außer in Gesang, da ziemlich gut. Bürgermeister Kuttler und Oberlehrer
Hermann Wüst haben das Zeugnis unterschrieben. Philipp Würger war
gewiß stolz auf dieses Zeugnis. Es mag ihm Mut gemacht haben, seine dichterischen
Versuche fortzusetzen. Die Konfirmation, die er an Judika 1923 in der Wieser
Kirche erlebte, mag ihn gerührt haben. So dichtete er:
„Sieh mich Herr in Gnaden an,
ewig will ich dir vertrauen,
ob in Freuden oder Leiden,
der den Sturm heraufbeschworen,
weiß, wozu er dienen kann . . .
Arme Seele, sei getrost,
schau empor zu Himmelshöhen,
wo die ewgen Sterne glänzen,
wohnt der Herr der Herrlichkeit."
Ein Frühlingslied aus jener Zeit lautet:
Gegrüßt du Lenzesmorgen, du holdes Maienlicht!
es fliehen alle Sorgen vor deinem Angesicht!
In diesen Tagen schreibt Philipp drei Schulhefte voll Jugenddichtungen und
betitelt sie: Der Falke vom Köhlgarten. Harfenklänge zum Ruhme Gottes. Ernste
Betrachtungen über des Allmächtigen Wunderwerke in der Natur und im Menschenleben
. Heilige Gedanken über Zeit und Ewigkeit, über Vaterland und
Religion. Lauteres Wasser vom Urquell des ewigen Lebens.
In Tegernau besuchte er im Sommer 1923 und Winter 1923/24 die Fortbildungsschule
. Es war die Zeit der schlimmsten Inflation. Der passive Widerstand des
deutschen Volkes an der Ruhr beschäftigt die Schüler. Der Verlust des Vermögens
lastet schwer auf den armen Bergbauern, die an ihrem wenigen Ersparten hingen.
Philipp und seine Altersgenossen in Wies wenden sich radikalen Strömungen zu.
Er ist politisch interessiert, besucht später auch solche Versammlungen.
Vor allem aber dichtet er. Bald nach der Schulentlassung muß es über ihn
gekommen sein. Die Aufsätze zeigen schon an, was ihn bewegt. Nun versucht er
dem Ausdruck zu geben.
„Das Leben ist verteufelt ernst und schwer,
und doch auch wieder nur ein loses Blatt im Winde.
Es eilet fort, es treibt dahin geschwinde
und kommt nicht mehr."
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