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kaufte nach dem Tode der Urgroßmutter seiner Kinder, mit dem Einverständnis
seines Schwiegervaters, die Mühle und verschwand samt Frau und Kindern tal-
auswärts am südlichen Horizont.
Die Kastelmühle kannte den neuen Käufer, welcher mit den bisherigen Besitzern
weder verwandt noch verschwägert war, von Kindesbeinen an, denn er lebte in
Sichtweite auf dem altersschwach gewordenen Nachbarhof „äner dem Bach", und
wenn der Bach auch die Kleine Wiese war und seit eh und je als Banngrenze
zwischen den Gemeinden Bürchau und Ried diente, so war der Käufer dank der
zwangsbefohlenen Eingemeindung seit dem Jahre 1811 rechtmäßiger Bürger von
Bürchau. Johann Jacob Kropf war ein seit Jahren sturmerprobter Ehemann und
wollte die Mühle nicht für sich, sondern für sein einziges Kind weiblichen Geschlechts
, namens Anna Maria, welche den Enkelssohn des Bürchauer Müllers
heiratete. Ob bei dem „Eheverspruch" bereits diese in Aussicht gestellte Kastelmühle
ausschlaggebend war, ist unbekannt.
Bekannt ist lediglich durch die mündlich überlieferte Familiensage der 80jähri-
gen Urenkelin Frieda Vollmer, geborene Grether, welche in rüstiger Frische ihren
Lebensabend bei der Tochterfamilie auf der Kastelmühle verbringt: „. . . und wo's
Chropfe die Mühli gehäuft gha hän, no hän si afange umrume, un wo si scho
ne Teil Gschirr und Wösch überem Bach däne in de Mühli gha hän, het uf eimol
die Mühli liechterloh brennt. Me het sälbigsmol gsait, s seige Rekrute an de Mühli
verbi gloffe, wo uf Dägernau füre an d Muschterig hän müeße, un ein vo dene
haig e Stumpe graucht un ins Strauhdach vo de Chaschtelmühli bolt, me het aber
nüt gnaus gwüßt". Das zu jener Zeit vorhandene Strohdach und die in Tegernau
vorgenommene Rekrutierung der jungen Burschen des Tales, kann der weibliche
Chronist bestätigen, ebenso einen Brand in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts
. Indessen scheint bei diesem Freudenfeuer nur ein Teil der Kastelmühle
verbrannt zu sein, denn eine Giebelseite trägt noch sichtlich die Jahreszahl 1832.
Die über dem oberen Eingang des Hauses stehenden Buchstaben JJT - AMK ohne
Jahreszahl zeigen, daß der Propf'sche Schwiegersohn Johann Jacob Tschira mit
seiner jungen Ehehälfte Anna Maria Kropf mit wahrscheinlicher Beteiligung der
Schwiegereltern diese Mühle vor mehr als hundert Jahren wieder aufbaute und
nach den baulichen Vorschriften mit einem Ziegeldach versah, denn die mündliche
Überlieferung aus vorgenannter Quelle weiß: „. . . und wo die Müehli abbrennt gsi
isch, hän sie bal druf e neui Mühli baut und Ziegel druf gmacht, s Chropfe hän
ihri Sache, wo si no gha hän, über de Bach dure in d Mühli trait un ihr alt Hus
überem Bach däne abgrisse und spöter e Schopf druf gstellt".
Johann Jacob Kropf starb 1898 in der Kastelmühle, trug jedoch zu keiner Zeit
die Berufsbezeichnung „Müller"; dieser Titel war seinem Schwiegersohn Tschira
vorbehalten, welcher väterlicherseits den Bürchauer Vogt und mütterlicherseits den
Bürchauer Müller zum Großvater hatte. Sein Urgroßvater Fritz Lenz war übrigens
der nämliche, welcher 1802 mit seinen Kollegen gegen ein zweites Wasserrad in
der Kastelmühle wetterte, "dieweilen wir sonst in der Bürchauer Mühl großen
Schaden leiden müßten" und sicher nicht schlecht aus seinem Wolkenfenster staunte,
als siebzig Jahre später beide Mühlen in den Händen seiner Urenkel waren und als
Vettern I. Grads in friedlicher Konkurrenz um die Gunst der Mahlkunden warben.
Der Kastelmüller Johann Jacob Tschira machte aktenkundig noch einmal von
sich reden, als er sich 1887 standhaft weigerte, in die Brand- und Feuerversicherung
einzutreten und auch auf obrigkeitliche Vorhaltungen hin nicht bereit war, sein
Mühlenobjekt mit 11 300 Mark Versicherungsanschlag auch nur zu einem „Gebäudefünftel
" zu versichern, sondern frei und offen sagte: „Bei mir hat es schon
einmal gebrannt, und es wird bei mir so schnell nicht mehr brennen und wenn,
dann schaffe ich es aus eigener Kraft, mein Anwesen wieder aufzubauen". Im
Jahre 1893 war er immer noch nicht versichert, allerdings behielt er recht, die
Kastelmühle brannte bis zum heutigen Tage nicht ab.
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