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der Gersbacher Stegmühle mit Frau und Kind in die Bürchauer Mühle kam und
Jahre blieb. Es scheint fast ausgeschlossen, daß die Mühle ununterbrochen defekt
war, jedoch möglich, daß nach vollendeter Reparatur diese als Hilfskräfte auf der
Mühle blieben, denn Mathias III. hatte im Gegensatz zu seinen lendenstarken
Vorfahren, aus seiner Ehe mit der Försterstochter Barbara Fischer von Marzeil,
keinen männlichen Nachwuchs, sondern nur drei Töchter, von welchen die jüngste
im Kindesalter starb.
Als er einst nach dem Tode des Großvaters vom Vater die Mühle „kaufte" und
seine beiden Schwestern auszahlte, dürfte er allem zufolge einige bauliche Veränderungen
vorgenommen haben, denn stolz setzte er über den Türsturz mit
schwarzem Graphit „ME 1769 BF" und vergaß dabei auch das Mühlrad nicht
mit seinem Zeichen. Acht Jahre später rumorte offensichtlich das mütterliche Blut
in der Hauptschlagader, denn schließlich war Großvater Benz selig „der Gastgeber
zu Ried" und in Bürchau war die bestehende Gemeindewirtschaft durch das Verschulden
des Inhabers „völlig in Krebsgang geraten". Ergo bewarb sich Mathias
Eichin bei der Burgvogtei Rötteln um die Schankgerechtigkeit, empfahl sich „als
schicklichster Wirt", wollte die Wirtschaft in seiner Mühle wissen, „denn mein
Haus stehet hart an der Landstraß, wo jeder vorbeikommt und wegen dem
Mühlgewerb sowieso immer einer daheim sein muß" und vergaß nicht hinzuzufügen
: „Das ganze Jahr werden in Bürchau gar viele Geschäfte accordiert, der
Ort kann ohne eine Wirtschaft nicht bestehen". (Hört! Hört!) Er bekam übrigens
die Schankerlaubnis und durfte von Georgi 1778 an wirten.
Zu dieser Zeit, als Mathias mahlend und wirtend auf seiner Mühle herumturnte,
legte Pfarrer Ziegler in Neuenweg sein Krautgärtlein an und „ließ die Zimmer
mahlen". Der Bürchauer Müller „mahlte" mit Sicherheit diese Zimmer nicht,
sondern saß zum selben Zeitpunkt im Zimmer des geistlichen Herrn und besprach
mit ihm höchst delikate Familienangelegenheiten. Hier muß Mathias Eichin allerdings
etwas größenwahnsinnig geworden sein, denn der Schwager vom Pfarrer
war alles andere als eine gute Partie für seine erst siebzehnjährige Tochter. Jener
hieß Christian Friedrich Kiefer, war der ledige Sohn des amtierenden Pfarrers zu
Opfingen, hatte nichts, war nichts, besaß nicht einmal einen Titel, griff jedoch
herzhaft zu, als ihm die älteste Müllerstochter auf dem Tablett serviert wurde,
welche keineswegs „wegen Unzucht zum Kranz" mußte. Bereits im Frühherbst 1783
war Hochzeit, Mathias III. führte als stolzer Brautvater seine blutjunge Tochter
zum Altar, Pfarrer Kiefer von Opfingen und Pfarrer Kiefer von Gersbach flankierten
den Bräutigam, der Neuenwegner Pfarrer segnete in seiner Soutane salbungsvoll
das verschwägerte Brautpaar ein, nur Hans Eichy, der Begründer der
Müllerdynastie, konnte sich auf dem Gottesacker vor der Kirchhofstüre nicht mehr
„im Grabe umdrehen", denn er war bereits ausgegraben.
Natürlich wußte auch sein Urenkel Mathias Eichin, daß mit einem armen
Schlucker von einem Pfarrerssohn keine wirtschaftlichen Lorbeeren für den Mühlenbesitz
zu ernten waren, nahm folgedessen den jungen Mann zwar in seiner
Mühle auf, räumte ihm das Wohnrecht ein, „verkaufte" ihm jedoch die Mühle
nicht, sondern behielt sie selbst, vertraute auf den lieben Gott und einen zünftigen
Mann für seine zweite, erst vierzehnjährige Tochter und sonnte sich im Abglanz
seiner neuen, noblen Verwandtschaft in den Pfarrhäusern ringsum. Immerhin
wurde er von diesem Zeitpunkt an in den Kirchenbucheinträgen als „Herr" geführt
, was in jener Zeit nicht einmal seinem Vogt passierte, und seine zwei Jahre
später geborene Enkelin hatte nicht nur sechs Paten und den Neuenwegner Pfarrer
zum „Götti", sondern auch eine „Frau Oberamtscommisärin".
Der auf der Mühle lebende Schwiegersohn wurde zwar von seinem Schwager
Ziegler mit „Müller" betitelt, war es jedoch nachweislich besitzrechtlich nie, denn
38 Jahre später meldete sich dieser aus der Reblandgemeinde Holzen schriftlich
beim Bürchauer Vogt und wollte von Bürchau einen Heimatberechtigungsschein,
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