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Das in der Kaufsumme miteinbezogene „Mühlengeschirr" bestand jedoch nicht
aus Bratpfannen und Suppentellern, sondern war das notwendige Handwerkszeug
für den manuellen Müllerberuf, demnach hatte die Bürchauer Mühle im 18.
Jahrhundert: „1 Gerbeisen, 3 Spitzhämmer, 4 Platthämmer, 1 Richtscheidt, eine
eiserne Waag mit 97 Pfund Gewicht, einen Mülzer Trog, 3 Böcke, 2 Besteck-
Kannen, 2 Besteck-Spindeln, 1 alten Beyel, 1 Mößinger Abreder, 1 neues unbeschlagenes
Malter Meß, 1 beschlagenes Halbsester Meß, 2 beschlagene Halbviertel
Meß, 1 beschlagenes Bechermeß, 1 dito Halbbecher Meß, etliche alte Wannen,
einen beschlagenen Boden leer, 3 reine Sieb, 1 Habermehlsieb, 1 Staubsieb und
einen Rattensieb". Ratten gab es allerdings nicht nur in den Mühlen, sondern
interessanterweise auch in den Kirchen, denn 1787 kam der obrigkeitliche Befehl
in das Pfarrhaus nach Neuenweg: „Neben den Orgeln ist eine Schüssel mit Wasser
für die Ratten und Mäuse aufzustellen, damit die Ratten und Mäuse nicht die
Orgel fressen, die Ratten und Mäuse gehen an den Salpeter, der sich ansetzt und
verfressen so die Blasbälge, auch im Winter ist eine Schüssel mit Wasser aufzustellen
und wenn das Wasser zu Eis würde".
Als jedoch Fritz Lenz im April 1787 die Bürchauer Mühle kaufte und laut
Kaufvertrag „in der Zeit von acht Tagen schon benutzen" durfte, konnte er den
darin befindlichen Mäusen noch keine Herrin präsentieren, denn er heiratete erst
im Mai des darauffolgenden Jahres eine 32jährige Witwe aus der Holl, welche
nicht nur eine kleine Tochter, sondern auch ein schönes Stück Geld in die Ehe
brachte, das dem Hausherr erlaubte, durch Hinzukauf von weiteren Liegenschaften
den Besitz zu vermehren. Die Bürchauer Mühle war wirtschaftlich weit besser fundiert
wie die benachbarte Konkurrenz im Kastel, und wenngleich auch Fritz Lenz
in seinem Protest gegen die Expansionspolitik Hans Donder's im Jahre 1801 den
Eindruck erweckte, als habe das letzte Stündlein für sein „Mühlgewerb" geschlagen,
so nagte real die Bürchauer Müllersfamilie zu keiner Zeit am Hungertuch, sondern
gehörte zu den vermögendsten Bürgern Bürchau's.
Fritz Lenz lebte insgesamt 43 Jahre auf der Bürchauer Mühle, und als er 1830
starb, hatte es keineswegs „ausgelenzt", sondern seine zweite Frau, die weder
zänkisch noch tobsüchtig war und folglich auch nie „im Häuslern" saß", schenkte
ihm einst den ersehnten Erben und einzigen Sohn, welcher beim Tode des Vaters
im 39. Lebensjahr stand und den Vornamen Johannes trug. Bereits im Jahre
1812, als Fritz Lenz nach 25 Meister jähren sein silbernes Jubiläum mit der Bürchauer
Mühle feiern konnte, „verkaufte" er ohne ersichtlichen Grund seinem
erst knapp volljährigen Sohn den gesamten Besitz „um 8 500 fl", es war übrigens
der wertmäßig höchste „Hofübergabeverkauf" jener Zeit in Bürchau.
Die verkaufenden Elternteile waren bei diesem „Verkauf" sehr großzügig und
zogen von diesem Kaufbetrag eine „Ehesteuer" für ihren Sohn von sage und
schreibe 4 000 fl ab, obwohl er überhaupt noch keine Braut hatte. Die Tochter
aus erster Ehe der Frau hatte nur Anspruch an das mütterliche Vermögen und
bekam bereits 1805 bei ihrer Hochzeit mit dem Vollmer von Hoheneck 1 000 fl
gegen Quittung ausgehändigt, die restlichen 400 fl mußte der junge Lenz seiner
Schwester auszahlen, „bevor er in die Ehe tritt und zwar baldmöglichst", wobei
bei dieser Formulierung nicht ersichtlich ist, ob jetzt der Sohn baldmöglichst zahlen
oder heiraten sollte. Da die Eltern selbstverständlich bis zum Tode auf der
Mühle leben wollten, zogen sie großzügigerweise nochmals 1 000 fl für „die
lebenslange Wart und Plag" vom Kaufbetrag ab, ließen 200 fl als Notgroschen
unverzinslich auf der Mühle stehen, „den sie nach Bedarf abfordern" konnten
und wollten von dem Sohn eigentlich insgesamt nur 400 fl, „wenn er heiratet",
womit dem Filius im vorneweg ein diplomatisches Heftpflaster über die Herzgegend
geklebt wurde. Allerdings mußte der kaufende Sohn 1 500 fl Passivschulden
mitübernehmen, von welchen angenommen wird, daß sie durch eine
Kapitalaufnahme für die Barauszahlung der „Ehesteuer" an die Tochter ent-
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