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mögen eigentümlich vor und ließen den Partner während der Ehe nur „nutzen"
und bestimmten über den Tod hinaus, „auch wenn die Ehe kinderlos getrennt
wird, soll keinem der Ehegatten von des Erstverstorbenem Vermögen etwas zum
Eigentum, wohl aber zur lebtäglichen Nutznießung zufallen". Natürlich rechneten
auch die Brautleute mit dem Besuch des Klapperstorches und vereinbarten, daß
beim Tode des einen oder anderen, die Nutznießung nur solange dauert, „bis die
Kinder das 20. Lebensjahr erreicht haben, dann muß der Letztlebende den
Kindern das väterliche oder mütterliche Eigentum abtreten".
Es war jedoch allen an diesem Vertrag Beteiligten klar, daß hierbei die künftige
Müllerin eindeutig den Kürzeren zog und sicherten sie ab mit der Klausel: „Für
den Fall, daß Kinder am Leben wären und der Hochzeiter vor der Braut stürbe,
sichert der Hochzeiter der Braut, damit sie nicht von der Mühle vertrieben wird,
die Nutznießung, die seine Eltern auf der Mühle haben, lebenslänglich zu". Das
hieß, wenn das älteste Kind zwanzig Jahre alt war, hatte sich die Mutter auf das
Altenteil zurückzuziehen und nur noch das zu nutzen, was die Schwiegereltern
Lenz 1812 beim Hof übergabeverkauf als Nutzungsgut aus der Verkaufsmasse
herausgezogen hatten. Das galt jedoch nur, wenn die Witwe „ledig" blieb, denn
der Bräutigam sicherte vorsorglich die Bürchauer Mühle: „Sollte die Braut aber
in einem Witwenstand sich wieder verheiraten, so soll diese Mühlenbenutzung
aufhören".
Damit war auch Maria Barbara, die 22jährige Braut, samt ihrem Vater einverstanden
, und da alle schreiben konnten, setzten sie ihren Namen unter das
Dokument, gingen dahin, feierten am 1. November 1814 Hochzeit, durchlebten
gemeinsam 38 Ehejahre, und als der „Hochzeiter" im Jahre 1852 neun Jahre vor
der „Braut" starb, war diese bereits 60 Jahre alt und zog die Nutzungsgüter einem
evtl. Heiratskandidaten vor. Die ehelichen Kinder, welche das Brautpaar im Jahre
1814 vor ihrem Werden bereits mit dem Testament bedachte, stellten sich zögernd
erst im fünften und neunten Ehejahr ein, es waren zwei Mädchen. Doch als diese
das 20. Lebensjahr erreicht hatten, waren beide schon verheiratet und erhielten das
väterliche oder mütterliche Erbe nicht zu „Nutz und Eigentum", sondern von
beiden lebenden Elternteilen einen beträchtlichen Vorschuß in bewährter Form.
Anna Maria, die jüngere Tochter, welche im Jahre 1842 den Bürchauer Vogtssohn
heiratete, brachte die „Ehesteuer" in bar von der Bürchauer Mühle auf den
Tschira Hof mit, welche Jacob Friedrich Asal drei Jahre zuvor, bei seiner
Eheschließung mit der älteren Tochter Maria Barbara, von Neuenweg auf die
Bürchauer Mühle brachte.
Johannes Lenz war ein friedlicher Bürger und Müller, ließ den schwiegermuttergeplagten
Konkurrenten im Kastel in Ruhe, sorgte rechtschaffen für die
Seinen, hatte seinen Vater Fritz noch 17 Jahre zur Seite, wurde 1829 zum
„Gemeinschaffner von Birchau" bestellt, was dem heutigen Gemeinderechner entsprach
, versah in späteren Jahren das Amt des Waisenrichters und hatte als solcher
Stimme und Gewicht auf dem Censurgericht Neuenweg. Auch er führte gleich
seinem Vater die Bürchauer Mühle fünfundzwanzig Jahre und „verkaufte" sie
1839 nach altem Rezept an seinen Schwiegersohn, zog sich mit seiner Frau in
„das äußere Stüblein und Kämmerlein oben im Trauf" zurück und lebte noch
13 Jahre in harmonischer Gemeinschaft unter einem Dach mit der Tochterfamilie.
Der Tochtermann und Müller Jacob Friedrich Asal trug denselben Familiennamen
wie seine Schwiegermutter Lenz, stand zu ihr jedoch in keiner nahen
verwandtschaftlichen Beziehung, sondern entstammte lediglich demselben Geschlecht
, dessen Wurzeln in die Zeit des Dreißigjährigen Krieges zum Erzvater
Christianus Asal von Neuenweg zurückreichen. Bevor er jedoch die Bürchauer
Mühle „kaufen" konnte, mußte er sich als Neuenwegner in Bürchau „einkaufen",
bekam aber wie alle „Inländer, die eine Bürgerstochter zur Frau" nahmen, das
Bürgerrecht in Bürchau zum halben Preis und zahlte 9 fl für die Bürgeraufnahme
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