http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1978-03-04/0007
zu erzählen, wie die Herbsterleute vom nahen Schwarzwald, die im Spätjahr
auf den Höfen oft wochenlang die Ernten einbringen halfen.
Noch zu Anfang unseres Jahrhunderts hörte ich als Schulkind ihre merkwürdigen
Geschichten, die mich gefangen nahmen und mir zu denken gaben, weil es so
geheimnisvoll und aufregend darin zuging. So lernte ich auf dem elterlichen Hof,
viel später auch im weiten Umkreis, viele solcher liebenswerten Menschen kennen,
die Geschichten erzählten und erzählen konnten, auch solche, die gerne zuhörten,
die alle aber immer seltener werden. Durch Generationen sind manche Sagen von
Mund zu Mund gegangen ohne Abänderungen und Verzierungen, und ich habe
sie so aufgeschrieben wie ich sie gehört habe, vor allem, um sie aufzubewahren
und damit Forschern und allen Freunden von Sagen damit vielleicht ebensoviel
Freude machen zu können.
UM MÜLLHEIM
Das Kirchsteigmännlein
In früheren Zeiten führte ein steiler Weg von Feldberg bei Müllheim den
„Chilstig" hinauf, den Kirchsteig nach dem Nachbardorf, der auch Fahrweg nach
Basel war. Einmal fuhr ein Fuhrmann mit einem schwerbeladenen Weinwagen,
vor den er sechs Rosse gespannt hatte, den Chilstig hinauf und wollte Basel zu.
Doch der Weg war so vom Regen aufgeweicht und so steinig, daß der Wagen stekken
blieb und eher rückwärts gerollt wäre. Der Fuhrmann begann schrecklich zu
fluchen und schlug dabei mit der Geißel auf die Pferde ein, und trotzdem ging es
nicht weiter. Er suchte nach einem großen Stein, um ihn hinter ein Hinterrad zu
legen, fand aber keinen. Da riß er einen großen Laib Brot, den er auf den Weg
mitgenommen hatte, aus dem Zwerchsack und legte ihn unter ein Rad. Doch das
Brot wurde in den Boden gedrückt und verdorben. In seinem Zorn verwünschte er
Rosse und Wagen und rief laut: „Wenn nume d Roß mitsamt em Wage uf der
Stell versufe täte! Hüh!" Das „hüh" war das letzte, was man von dem Fuhrmann
hörte, denn kaum hatte er das gesagt, versanken Rosse und Wagen im Boden, und
auch den Fuhrmann nahm es mit hinein. Seitdem wird die Stelle, an der Fuhrmann
, Rosse und Wagen versunken sind, auch im heißesten Sommer nie ganz
trocken. Wenn das Wasser aber wie eine Quelle dort zum Berg herausläuft, sagen
die Leute: „Der Wii lauft us!„
Weil der Fuhrmann so geflucht, seine Rosse geschlagen und das Brot verdorben
hatte, fand er noch lange keine Ruhe im Berg. Zur Winterszeit und bei Sturm
und Wetter hörte man das Chilstigmännli oft am Chilstig mit der Geißel knallen
und „hüh" rufen. Bisweilen klopfte es auch mit der Geißel an die Haustüren im
Unterdorf. Aber niemand hat es je gesehen, und keinem hat es je etwas zu Leid
getan.
Vergebliche Schatzsuche
Vor vielen hundert Jahren hatten während eines Krieges die Klosterfrauen in
Rintel bei Feldberg alles Geld und alle Wertsachen im Klostergarten vergraben.
Aber niemand konnte später die Stelle wieder finden. Als das Klösterlein schon
lange verfallen war, legten ein paar Männer von hier und von auswärts so viel
Geld zusammen, daß sie einen Mönch von Freiburg bezahlen und mit einem Roß
abholen lassen konnten. Sie hatten erfahren, daß es dem Mönch ein Leichtes sei,
einen Schatz zu heben. In einer Vollmondnacht im Dezember kamen die Männer
mit dem Mönch in einem Haus in Rintel zusammen.
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