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türlein in die Kammer darüber, damit man die Wärme hinauflassen konnte. Uber
diesem Türlein machte er manchmal einen Wirbel wie mit einer großen Trommel,
so daß die Leute erschrocken aufsprangen. Oder er warf Nüsse, Bohnen und
Erbsen herunter, damit sie darauf ausrutschen sollten. Holte man Wein im Keller,
versteckte er sich hinter dem Faß und klopfte so lange Wein heraus, bis das
Faß leer war.
Einmal kam ein Vetter des Pfarrers, ein junger Student, in das Pfarrhaus zu
Besuch und hörte auch von dem seltsamen Poltergeist, der die Leute wohl ärgerte
und erschreckte, aber noch nie einem wirklich etwas zuleide getan hatte. Das gab
dem Studenten Mut, der neugierig war und gerne einmal seine Bekanntschaft gemacht
hätte. Als man den Ruedi wieder einmal an einem Abend im Keller
wußte, nahm der Student seinen Degen und ein Wachslicht und ging damit die
hohe steinerne Kellertreppe hinab. Um zu sehen, wie es ihm erginge, stand ein
Knecht mit einem Licht oben an der Treppe. Noch von der Treppe aus forderte
der Student spöttisch den Ruedi auf, herzukommen, wenn er etwas mit ihm
wolle. Der kam auch im Nu, gab dem Studenten links und rechts eine solche
Ohrfeige, daß er mit Degen und Licht vollends die Treppe hinabstürzte und wie
tot unten liegen blieb. Der Knecht schaffte ihn in seine Kammer, wo er bald wieder
zu sich kam, ohne Schaden genommen zu haben.
Als es dem Ruedi im Pfarrhaus nicht mehr so recht gefiel, ging er hinüber
nach Gennenbach. Dort war noch ein Klosterhof, bei dem einst die Michaelskapelle
gestanden hatte. Manchmal ging er auch auf die Höfe in Feldberg, und wenn er
Lust dazu hatte, tat er auch, was man ihm auftrug. Aber immer mußte man dazu
sagen: „Nit z vil, un nit z wenig!" dann tat er die Arbeit recht. Schließlich hat
man den Ruedi immer seltener in den Dörfern gesehen; nun trieb er sich bei
Schalsingen und im Wald unter Bürgeln herum, bis er ganz ausblieb. Die alten
Leute wußten früher immer noch manches vom Ruedi zu erzählen, und wenn
einer recht laut und gutmütig polternd sich äußert, sagt man heute noch: „Das
isch e Ruedi!"
Johannes mit dem Schlapphut
Auf der Propstei Bürgeln lebte vor vielen hundert Jahren der junge Mönch
Johannes. In dem nahen Frauenkloster Sitzenkirch mit adeligen Frauen mußte
er auch der schönen Nonne Agnes manchmal die Beichte abnehmen und verliebte
sich heftig in sie. Doch sie wies ihn entrüstet ab, wenn er durch den unterirdischen
Gang, der von der Propstei in das Klosterkirchlein herabführte, die
Nonne darin heimlich zu treffen und zu überreden suchte. Das kränkte Johannes
so, daß er sich an ihr rächen wollte. Er entwendete kostbare Kelche und andere
Dinge aus der Kirche und wußte den Verdacht geschickt auf Agnes zu lenken, und
es kam zu einer Gerichtsverhandlung. Aber der Herr von Sausenberg fand Gefallen
an der klugen Nonne, sprach sie frei und ließ sie zur Unterrichtung seiner Tochter
sogar regelmäßig auf das Schloß hinaufkommen. Da packte Johannes die Eifersucht
und der Zorn über das Mißlingen seines gemeinen Plans, und er lauerte
Agnes auf, als sie vom Schloß zum Kloster hinabging. Empört sagte sie ihm seine
Unterstellung auf den Kopf zu. Er gab auch zu, es in seiner Auswegslosigkeit
getan zu haben, versuchte sie in die Arme zu reißen und zu küssen. Voller Angst
versuchte Agnes, ihm zu entfliehen. Da geriet er so in Wut, daß er sie packte und
dabei erwürgte. Als sie tot zur Erde sank, floh er, entsetzt über seine Tat und
irrte drei Tage und drei Nächte durch die Wälder des Sausenhards. Immer wieder
kam er an jene Stelle zurück, und schließlich setzte er dort seinem verfehlten
Leben ein Ende.
Doch sein Geist fand nirgends Ruhe. Oft sah man den Johannes mit dem
Schlapphut im dunklen Uberrock im Wald zwischen Bürgeln und der Sausenburg
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