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umherirren. Manchmal hörte man ihn in der Zeit des Vollmonds um Mitternacht
durch die Gänge der Propstei schlürfen, oder sah sein beinernes Gesicht mit den
irren Augen unter dem schwarzen Schlapphut durch die Fenster grinsen. Schon
lange hat man ihn nicht mehr gesehen.
Untat auf dem Neuenfels
Auf der zerfallenen Burg Neuenfels bei Badenweiler lebte um das Jahr 1540
der letzte Ritter von Neuenfels, Christoph, mit seiner Gemahlin und der einzigen
Tochter Suse. Christoph war überall beliebt und geachtet, weil er aber in Schulden
gekommen war, mußte er einen Hof nach dem andern in den Dörfern drunten
verkaufen. Seiner Schwester Elisabeth, der Warenbacherin, wäre es ein Leichtes
gewesen, ihrem Bruder zu helfen, aber sie kümmerte sich wenig um ihn.
So zog sich Christoph mit den Seinen ganz auf die Burg zurück und ging
ungern in die Dörfer hinab. Vom Neuenfels gingen unterirdische Gänge zur Burt»
in Badenweiler und nach einem der Britzinger Höfe. Eine Dogge holte alles, was
man auf der Burg benötigte, durch diesen Gang herauf.
Eines Tages kamen zwei landfremde Ritter auf die Burg, und einer begehrte
bald das Burgfräulein zur Frau. Aber Suse hatte schon einem andern das Jawort
gegeben. Der Mutter gefielen die Fremden zwar nicht, aber der Vater lachte in
seiner Gutmütigkeit über ihre Bedenken. Bald sah man die beiden wieder von
der Burg gehen. Doch keiner im Tal hatte gefragt, woher sie gekommen und wohin
sie gingen. Aber zwei Tage darauf fand man Suses heimlich Verlobten am Weg
zur Burg ermordet. Als auch die Dogge zwei Tage ausblieb und am dritten Ta^
auch nicht kam, gingen drei Männer auf die Burg, um dem Burgherr die Mordtat
zu berichten.
Es kam den Männern merkwürdig vor, daß das Burgtor und die Tür in die
Burg offen standen, und zögernd betraten sie die Burg. Da bot sich ihnen ein
grauenhafter Anblick. Die ganze Familie lag mit der Dogge erschlagen in der
Stube, zwei Mägde und drei Knechte in den Kammern. Truhen und Schränke
waren aufgerissen und alles durchwühlt, aller Schmuck und das Silber verschwunden
. Auch das Geld war nicht mehr zu finden, das Stoffel vor wenigen Tagen
für einen Hof bekommen hatte. Keiner zweifelte, daß die Fremden die schreckliche
Tat begangen hatten. Die letzten Neuenfelser wurden in der Kirche zu Britzingen
beigesetzt, und nach und nach zerfiel auch die Burg.
Noch lange konnte man in hellen Nächten einen großen Mann mit langem
schwarzen Bart im Burggraben oder in den Mauern umhergehen sehen, zuweilen
irrte auch ein weißer Hund suchend in der Burgruine oder im nahen Wald
umher.
Schatz auf dem Neuenfels
Vor zweihundert Jahren ging ein junger Schuhmachergesell von Britzingen auf
den Neuenfels, um droben Haselnüsse zu suchen. Fleißig sammelte er die schönsten
in sein Säckchen, als plötzlich eine feine Jungfer in einem langen Kleid neben
ihm erschien. Sie fragte ihn lächelnd: „Was suechsch denn du do?" Der Bursche
wunderte sich über die Frage und sagte: „Haselnüß tue ich sueche, du sichschs jo!"
„Jä, hesch kei Angscht?" wollte sie wissen. „Vor was soll i Angscht ha?" lachte
der Bursche. „I ha noh niemes nüt z Leid too!" „So chumm mit mir!" forderte
ihn die Jungfer auf und ging vor ihm her bis zu einer Türe, die er noch nie
gesehen hatte. Diese schloß sie auf, und sie kamen durch einen Gang an drei Tore,
die sie nacheinander aufschloß. In einem Keller waren noch schönere Dinge als
im andern, und es glänzte nur so von Silber, Gold und Edelsteinen, daß dem
Burschen fast die Augen übergingen. Ein großer schwarzer Hund bewachte die
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