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Noch lange nach seinem Tod spuckte das Chuchihänsli bei Tag und Nacht weit
und breit in der Gegend herum. Bald war er von seinen Jagdhunden umgeben und
ritt auf einem dreibeinigen Schimmel, bald fuhr er in einer mit vier Rappen bespannten
schwarzen Kutsche, die ein schwarzer Mann lenkte, und zwei schwarze
Reiter begleiteten ihn. Wie die wilde Jagd ging es über die Erde und durch die
Luft. Dabei war der Zuruf des Kutschers, das Traben der Pferde, das Gerassel
des Wagens und das Gebell der Hunde weithin zu hören.
Silber wurde Asche
Im Münstertal wurde lange Silberbergbau betrieben. Die befestigte Stadt Münster
wurde einst niedergebrannt. Dort stieß einmal ein Mädchen beim Umgraben
auf einen Krug mit Silbermünzen und nahm den Krug mit nach Hause. Als es sie
herausnehmen wollte, war anstatt der Silbermünzen nur Asche darin.
Hund rettete die Burgfrau
Zu Anfang des 14. Jahrhunderts saß Ritter Hugo, der letzte Scharfensteiner,
auf seiner Burg oben auf einem mächtigen Felsen, dem senkrecht ins Tal abfallenden
Scharfenstein im hinteren Münstertal. Er war ein gefürchteter Raubritter,
den man nur den schwarzen Teufel hieß. Seine Gattin, Agnes von Staufen und
Bolsenheim, war die Schwester des Herrn auf der Staufener Burg. Von dort
stammte sie und hatte auch nahe Verwandte in Freiburg. Die Ehe blieb kinderlos,
und aus Mitleid nahm Agnes die elternlose Tochter des Kuno von Sausenberg an
Kindesstatt auf. Als Rotlinde achtzehn Jahre alt war, verliebte sich Hugo in das
Mädchen, das seine Werbung lange zurückwies, dann aber seinen schönen Worten
erlag.
Nun war die Burgherrin überall im Weg. Die beiden behandelten sie schlechter
als die geringste Magd. Auch die Burgleute folgten ihrem Beispiel, und Hugo sann,
wie er Agnes unauffällig aus der Burg schaffen könnte. Sie konnte dieses Leben
kaum mehr ertragen und beschloß, zunächst im nahen Kloster Sankt Trudpert um
Aufnahme zu bitten. Unbemerkt, wie sie glaubte, ging sie in der Nacht von der
Burg. Doch Hugo hatte sie unauffällig bewachen lassen, und ihre Flucht kam seinem
gemeinen Plan entgegen.
Er folgte ihr mit zwei Knappen, holte sie kurz vor dem Kloster ein, und
brachte sie auf das Burgeck am Heidenstein, eine zerfallene Burg. Dort schloß
er sie im Keller mit einer Kette an einen Eisenring in der Wand an und war
überzeugt, daß sie hier keiner suchen würde. Trotz ihrer flehenden Bitte, sie
doch gehen zu lassen, ritt er hohnlachend davon. Als die Verwandten nach Agnes
fragten, sagte Hugo, daß sie eine Wallfahrt nach Todtmoos mache.
Doch Agnes hatte einen häßlichen, aber treuen Hund, Blauli gerufen, der
überall nach ihr suchte. Als er die Spur seiner Herrin und auch sie gefunden
hatte, zerrte er so aufgeregt am Rock der alten Jmmi, der Amme von Agnes, daß
sie ihm unauffällig folgte und die Gefangene fand. Durch einen unterirdischen
Gang ließ sie nun Agnes durch Blauli versorgen, der ihr in einem Körbchen Essen
und Wein zutrug. Nach wenigen Tagen weihte Jmmi den treuen Junker Gerold,
der Agnes ergeben war, in das furchtbare Geheimnis ein, der sofort die Angehörigen
von Agnes verständigte.
Schon am anderen Morgen staken drei Messer im Burgtor und die Aufforderung
an Hugo, vor dem Femegericht zu erscheinen. Er wußte, daß er keine Gnade zu
erwarten hatte und jetzt alle Fluchtwege versperrt waren. In ihrem großen
Schrecken und ausweglosen Verzweiflung stürzte sich Rotlinde den hohen Burgfelsen
hinab. In der allgemeinen Aufregung bemerkte keiner, daß Hugo spurlos
verschwunden war. Er wurde nie mehr gesehen.
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