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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
40.1978, Heft 3/4.1978
Seite: 323
(PDF, 42 MB)
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heiratung seinerzeit die übliche „Ehesteuer" in bar von den Eltern bekommen, so
stand dieselbe Summe den übrigen Töchtern und Söhnen auch zu; war zum Beispiel
der Hofverkäufer verwitwet und wurde bereits das mütterliche oder väterliche
Vermögen an die großjährigen Kinder ausgezahlt, dann hatten die minderjährigen
Kinder „das Geld noch zu gut" usf., folglich purzelten wiederum Zahlen
kunterbunt durch die schwieligen Waldbauernfäuste, bis sie in Tatsachenkomplexen
geordnet, kalkulatorisch im Einverständnis aller Beteiligten, Soll und Haben
auf dem „Babier" ausglichen.

Bekanntlich wurde von Papierwerten jedoch noch kein Mensch satt, und weil
das die Altvorderen trotz ihrer lückenhaften Schulbildung auch schon wußten,
wurden dem käuferischen Teil jeweilig die Zahlzeiten und Zahltage verbindlich
genannt, an welchen er, oft über Jahre hinweg, von seinen Geschwistern zur
Kasse gebeten wurde und damit nie die Ausrede: „Je, ich ha s' Datum vergesse"
gebraucht werden konnte, wurde im vorneweg kein Tagesdatum genannt, sondern
die im Volksmund üblichen Bezeichnungen verwendet, die für diesen Fall sich im
Kleinen Wiesental überwiegend auf die Tage „Georgi und Martini" beschränkten.
Vorwiegend wurde „Georgi" (23. 4.) für die Geldgeschäfte bevorzugt und
„Martini" (11. 11.) als Verfalldatum für die Naturalleistungen gesetzt, beide
Tage sind im bäuerlichen Leben begründet, denn gab doch ein langer Winter dem
schaffigen Hofbesitzer die notwendige Muße, über seine Finanzen ordnend nachzudenken
und sein Holz zu verkaufen, damit im Frühling an „Georgi" der Gulden
rollen konnte und für letzteren Fall die abgeschlossene Ernte und die gefüllte
Kartoffelhurde die Möglichkeit, die Leistungen in „Natura" zu erbringen.

So war der 23. April im Waldland in den meisten Fällen ein sehr gefühlsbetontes
Datum, das unterschiedlich im Verhältnis mit einem lachenden und einem
weinenden Auge begrüßt wurde. Doch der heilige Georg, der Ritter und Drachen-
töter, dem einst der Kopf abgeschlagen wurde und mit seinem Geiste trotzdem den
Kreutzrittern zum Sieg verhalf, schien allem zufolge mit seinem Geist nicht nur an
seinem Namenstag, sondern schon beim Abschluß der Kaufverträge im Kleinen
Wiesental anwesend gewesen zu sein, denn nie ergab sich der kopflose Umstand,
daß an „Georgi" sämtliche Geschwister auf dem Waldbauernhof aufkreuzten mit
dem Ruf: „mir wänn üser Geld", sondern von vornherein wußten, daß sie
hübsch der Reihe nach warten mußten, denn nach Brauch und Sitte hatten die
Eltern in Tun und Handeln bestimmt: „daß der Keufer seine Geschwistrig soll
zahlen wie sie dem Alter nach kommen in der Reih", wobei gleichzeitig jeder
Sprößling seinen eigenen „Georgizahltag" mit der entsprechenden Jahreszahl zugesprochen
bekam, der Älteste zuerst, der Jüngste zuletzt.

Die in den alten Verträgen in diesem Zusammenhang gebrauchte Bezeichnung —
wie zum Beispiel: „so geschieht der erste Wurf mit 160 fl auf Georgi 1774"
besagt jedoch nicht, daß unsere Waldbauern einer olympiareifen Sportdisziplin gefrönt
hätten und am Georgitag beim Anblick von Bruder und Schwester die 160
Gulden zum Stubenfenster hinaus, treffsicher jenen an den Kopf oder sonstwohin
geworfen hätten, sondern insgesamt bezeichnete man in alter Zeit eine auf eine
Kaufsumme bezogene Teilzahlung nicht als Rate, sondern als „Wurf", was im
Wortsinn „von einer Summe auswerfen" sprachlich zutreffend erscheint.

Diese Würfe wurden innerhalb der eigenen Familie meist eingehalten, wobei
man hin und wieder den Anreiz bot: „dieße Würfe sollen sein ohne Zinß, doch
wenn im Falle die Würfe nicht erledigt werden, so soll stehen 5 Prozent im
Zinß ab Verfall", was beweist, daß die Waldbauern von einst bereits das Kreditsystem
des 20. Jahrhunderts kannten und benutzten.

Mit diesen Würfen in bar wurden überwiegend die Waldbauernhöfe im Schnitt
quer durch das Kleine Wiesental saniert, denn „Rasse, Klasse, Kasse" im Dreiklang
waren schon damals das Idealmaß fürs Eheglück. Gleich heute fanden die
Männlein und Weiblein, die vor uns gewesen sind, ihre Idealmaße selten, und so

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