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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
40.1978, Heft 3/4.1978
Seite: 329
(PDF, 42 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1978-03-04/0115
schrieben", wobei gleichzeitig für den möglichen Eventuellfall der Nahrungsmittelbezug
vom Hof mit Fälligkeitsdatum schriftlich niedergelegt wurde. Der
65jährige Christian Eiche, dem ein Jahr zuvor die Frau gestorben war und beim
Hofverkauf an seinen zweitjüngsten Sohn die künftige Hofbäuerin nicht aus dem
gemeinsamen Zusammenleben kannte, weil dieser, erst „neuverlobt", seine Braut
nach dem Hofkauf zu „heuraten" gedachte, war ganz vorsichtig und ließ, obwohl
sein Käufer erst 28 Jahre alt war, unerbittlich hinter das „Mus und Brodd"
setzen: „wenn aber der Mathiß vor seinem Vadder mit Tod abgehen sollte, so
sollen dessen Angehörige schultig sein und gehalten, daß diese den alten Vadder
gehörig verpflägen und wenn der Vadder Klagen hat und des Mathiß Angehörige,
die in des Mathiß Rächt treten, den alten Vadder nicht rächt verpflägen, kann der
alte Vadder nach seinem Belieben sich an einen andern Ort begeben und die
müssen zahlen". (Sie mußten übrigens nicht zahlen, denn Christian starb 1822 auf
dem Hof vor seinem Sohn.)

Zum dritten: Der überwiegend größere Teil der Hof Verkäufer ließ sich auf
keine schriftlichen „Wenn und Aber" ein, sondern vereinbarte sofort den „Natu-
ralschleiß", welchen sie auf Martini (11. 11.) beanspruchten, frei noch im Hinterher
„an ihren Mägen sollt ihr sie erkennen"! Sie wollten durchweg in „sauber
gebutzter Kaufmannswar" ihre Brotfrucht, jeweils „halb Rocken, halb Gersten",
wobei das Malter- und Sestermaß unterschiedlich bevorzugt auftrat, die einen
wollten insgesamt 8 Malter, also 8 Säcke Frucht haben, die andern gaben sich mit
12 Sester gleich l1 2 Säcken zufrieden, der Durchschnitt lag in der Mitte. Hin
und wieder tauchte auch das alte Maß „Muth" auf (richtig geschrieben: „Mutt"),
womit der Verkäufer mit seinen geforderten „5 Muth" insgesamt 20 Sester oder
2V2 Säcke „gebutztes" Getreide bekam. Nur eine 60jährige Witwe tanzte aus
der Reihe und wollte keine Frucht, sondern „alle Woche 1 Laib Brot, 5 Pfund
schwer", worauf Sohn und Tochter dergestalten erschraken, daß sie bestimmten:
„aber die Mudder muß den Schliß in dem Dorf Birchau verzehren und nirgends
änderst". Sie verzehrte danach 772 Brotlaibe auf dem Hofe und starb in Frieden
mit dem siebenhundertunddreiundsiebzigsten.

Zu der üblichen „Schlißfrucht" gesellte sich im Kleinstmengenmaß ausgedrückt
in Becher, Viertel und Sester das „Habermehl", welches grobgeschätzt im heutigen
Begriff zwischen 5 und 25 Pfund jährlich vereinbart wurde. Anscheinend überließen
die Alten den Enkeln den „Haber", der übrigens in allen Akten mit einem
„b" geschrieben wurde, gleich unserer Mundart, denn hörten wir nicht noch von
unseren Großeltern „Habermark macht d Buebe stark"?

Mit den in den Naturalschleißforderungen jeweils auftauchenden 2—5 Sester
Kernen, auch „Kähmen" geschrieben, ist wohl nichts anderes gemeint wie der
„Gemüskern", um welchen vor 140 Jahren noch der Pfarrer von Tegernau mit
den Bürchauern heiß und innig stritt, und welchen Vogt Senn als „Gemießkährn"
bezeichnete, „den der Pfarrer von Dägernau wohl will, aber von uns Birchauern
nicht griegt", Anbetracht dessen, daß hin und wieder in den Akten von „weißen
Kähmen" gesprochen wurde, war das nichts anderes wie der Bohnenkern, aus
welchem die Altbäuerin mit mehr Kernen wie Fleisch den schmackhaften Bohneneintopf
zauberte. Allem zufolge hatte die robustere Bohne bessere Fortkommensmöglichkeiten
im Waldland wie die zartere Schwester aus der Gattung Hülsenfrucht
, denn Erbsen wurden von den Verkäufern nur im „Bechermaß" gefordert,
womit man also ausrechnen kann, daß in etwa auf 5 Bohnengerichte einmal
Erbsensuppe folgte.

Ganz wichtig war für unsere Altvorderen die Kartoffel, welche im täglichen
Speiseplan der Wälderküche beinahe die wichtigste Rolle spielte, sie wurde in den
Privatverträgen überwiegend „Grumbire" genannt, welche im Muth- und Sestermaß
ausgehandelt, die Brägelpfannen der Abgedankten jauchzen ließ.

Uberraschenderweise wollte ein beträchtlicher Teil der Schlißempfänger aus-

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