http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1978-03-04/0208
seiner Bindung an die Tradition! Tradition bedeutet für ihn nicht nur Überliefertes
übernehmen, sondern erhalten und weitergeben. So bildet er ein Glied
in der großen Kette der Kunst.
2. Da ist als Zweites seine Liebe zur Heimat: zur Heimatlandschaft, zum
Schwarzwald mit seinen Bergen und Tälern, Wäldern und Wiesen und Feldern,
zu seinen Menschen in ihrer herben Eigenart, zu ihrer alemannischen Sprache,
ihren Trachten, Sitten und Bräuchen, aber da ist auch seine Liebe zur geistigen
Heimat, d. h. zum genius loci Johann Peter Hebel. Kein anderer hat Hebel-
Gedichte und -Geschichten mit dem Stift liebevoller nachgedichtet und nacherzählt!
Diese Liebe zur Heimat als Lebenslandschaft und zur Welt Hebels tut sich vor
allem in den unzähligen feinen, kleinen Bildern und Zeichnungen der von Gnomen
und Zwergen, Sagen- und Fabelwesen und nicht zuletzt von Putten und Engeli
belebten und bevölkerten Heimatlandschaft kund. Heißt er doch bei vielen seiner
Landsleute „Der Engeli-Moler"! Er hat sich eben — wie Hebel — trotz allem
Wandel des Weltbildes sein kindlich naives Gemüt bewahrt, er hat sich mitunter
selbst als malenden Zwerg inmitten gackernder Hühner im Hof oder mit Kindern
auf einer Bergwiese dargestellt und sich schalkhaft „Gacki" genannt. So hat ihn
auch sein Freund Hermann Burte träf gekennzeichnet: „Unser Dölfi Glattacker
Chind und Glunki, Gnom und Racker!"
Der Reim Acker — Racker — nur dem Alemannen verständlich — trifft genau
das Wesen des auf dem harten und steinigen Acker der Kunst ständig Rackernden
, der noch kein Ausruhen kennt auf den wohlverdienten, aber im Leben so oft
vorenthaltenen Lorbeeren!
3. Doch, mein ich, da sei noch ein Drittes, das der Alemanne A. G. still und
keusch verschweigt, das aber dennoch, wenn auch verborgen, immer da ist und
wirkt. Ich denke da an sein letztes Bild, die Federzeichnung von sich, die erst
letzte Woche fertig geworden ist, auf dem er sich als CHRISTOPHORUS am
Herzogenhorn darstellt. Hier hat er endlich ein bislang gehütetes Geheimnis gelüftet
und preisgegeben. Zwar liegt dort in der Vitrine noch ein kleines Bild aus
den Zwanziger-Jahren vom Hlg. Lucas mit einem Kind. Auch der Apostel Lucas
war Maler und gilt bis heute als der Patron der Maler. Dort aber (auf dem
früheren Bild) schwebt das Kind als kleiner Engel frei über dem Evangelisten
Lucas. Doch wird schon da der Gedanke an das Kind vernehmbar, den Glattacker
im letzten Bild noch einmal aufgreift und am „Christopherus"-Thema weiter
behandelt.
Glattacker weiß sich hier also nicht nur als ein Glied in der Kette der Tradition
mit seinem Volk und Land durch seine Kunst verbunden, mit seinen Heimatbergen
und -tälern, verbunden mit Hebel, Gotthelf und allen, die das Bild
seiner geistigen Heimat mitbestimmt und -geprägt haben; er versteht und bekennt
sich hier auch als „Christopherus", als Christusträger zur christlichen Lehre und
zum christlichen Glauben.
Mögen zuweilen dann und wann auch mancherlei andere Gedanken ihm durch
den Kopf schwirren, und allerlei seltsame Gestalten in seinen Bildern ihr Spiel
treiben, so sind für ihn doch „die Sache enedra" (wie bei Hebel) beheimatet in
der Welt christlicher Vorstellungen. Ich will Adolf Glattacker gewiß nicht zu einem
Heiligen machen — er selber möchte es gar nicht — und doch ist er im Grunde
seines jung gebliebenen Herzens und seines kindlichen Gemütes, wenn auch kein
Heiliger, so dennoch ein Christophorus!
All
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1978-03-04/0208