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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
40.1978, Heft 3/4.1978
Seite: 436
(PDF, 42 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1978-03-04/0222
sehen Hofrates Holzmann (1801) dargestellt. Man erfährt, wie lange es brauchte, bis im
Bewußtsein der Regierenden und der Regierten die jüdischen Mitbürger zu Bürgern gleichen
Ranges wurden. Hier ist mit Rec+t auf Johann Peter Hebel verwiesen, der in seinem
bekannten Bericht von 1811 aus seiner Bewunderung gegenüber Napoleon keinen Hehl
gemacht und den großen Syn Hedrio liebevoll beschrieb. Bewegend ist es, zu sehen, wie
die badische Gesetzgebung moderner als die der umliegenden Länder und Landschaften sich
entwickelte. 1810 tauchen in Kirchen die ersten jüdischen Handwerker auf, es wird um
den jüdischen Unterricht gestritten: 1846 wird sogar erlaubt, daß als Lesebuch statt des
christlichen Katechismus die biblischen Geschichten des Alten Testamentes von Johann
Peter Hebel benützt werden dürfen. Hier haben wir einen wesentlichen Beitrag in der
„Langzeitwirkung" Johann Peter Hebels zu sehen, der die Hebelforschung beschäftigen
iollte. Die Arbeit wird lebendig durch die Einfügung der Synagogenordnung (1866). Ein
besonders wichtiges Kapitel scheint dem Rezensenten auch die Beschreibung der intensiven
geschichtlichen Bewegungen seit 1848 zu sein, in einem Zeitraum, in welchem das jüdische
Bewußtsein zwischen Liberalismus und Loyalität zum Herrscherhaus schwankte. 1862 hat
man dann die völlige Gleichstellung erreicht gesehen.

Mit Interesse und Anteilnahme liest man auch die Ausführungen über den Abschnitt von
1864 bis 1932: Innerlich wie äußerlich votieren die Juden nationalliberal; sie werden
Deutsche mit jüdischer Konfession. Als die Antisemitische Bewegung einsetzt, vollzieht sie
sich in Baden mit wesentlich geringerer Heftigkeit. In Kirchen herrscht ein gutes Verhältnis
zwischen den Mitbürgern. Die Abwanderung der jungen Leute schwächt die Gemeinden
. Innerhalb der Judenschaft bricht die Auseinandersetzung auf zwischen „Centraiverein
" und „Zionistischer" Bewegung.

Zwischen 1933 und 1942 ereignet sich auch im Markgräflerland die Katastrophe, als man
das Drängen der warnenden Stimmen überhört hat. Es beginnt mit dem Boykott der
jüdischen Geschäfte in Lörrach und dem Abzug der jüdischen Mitbürger in Etappen. 1938
werden die Maßnahmen gegen die Kaufleute, die Handwerker und die Ärzte („Kranken-
behandler") verstärkt, 1940 erfolgt die Schließung der Grenzen zu den umliegenden
Ländern. Die Auswanderer haben die Vereinigten Staaten von Nordamerika als Hauptziel
ihrer Emigration. 1940—42 erfolgt die Verschleppung des Restes der Juden. Die
Arbeit nennt ihre Namen ausführlich.

In liebevoller Beschreibung wendet sich die Arbeit dann dem Friedhof der Juden in
Kirchen zu, ebenso den Familiennamen und ihrer Entstehung, als besondere lehrreiche
Lektüre, die dem Territoralhistoriker eine große Hilfe sein wird. Der Arbeit angeschlossen
ist ein Anhang mit Texten von Edikten, Schutzbriefen, graphischen Darstellungen und
Grabinschriften, die — verdienstvoller Weise — in hebräisch aufgeführt sind.

Man kann die Arbeit nicht ohne große innere Beteiligung lesen, die ja im Blick auf
dieses Thema den tragenden Grundton und die Motivation für das historische Interesse
bilden muß. Die Lektüre dieser Arbeit neben der Lektüre Johann Peter Hebels (vor allem
der Brief an seinen Freund Hitzig in Rötteln) wird im historisch Interessierten jene Nachdenklichkeit
schaffen, die der Motor historischen Arbeitens überhaupt ist.

Prof. Dr. W. Eisinger

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