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Ein Wort zur Jubiläumsnummer
Beim Anlaß eines solchen Jubiläums ist nicht nur derer zu gedenken, die unsere
Arbeit begonnen haben und zum Teil bis heute mittragen. Diese Würdigung hat
Johannes Helm übernommen. Dem Vorstand geziemt es, etwas zu den künftigen
Aufgaben und zu bestimmten Möglichkeiten, die sich dabei bieten, zu sagen.
Die Erkenntnis setzt sich allmählich wieder durch, daß Geschichte eines der
wichtigsten Themen für den Menschen ist, der die Gegenwart als politischer Mensch
erlebt, wobei der Ausdruck abstrakt oder allgemein verstanden sein will, wie bei
den alten Griechen als „zoon politikon", frei übersetzt als „lebendiges Mitglied
einer städtischen, einer staatlichen Gemeinschaft". Ein Land, das keine Vergangenheit
kennen will, hat keine gute Zukunft. Auch Geschichte spielt sich in einem
Raum ab, dem Land, in dem wir leben, der Heimat. Aber Heimat ist nicht nur
Raum und Zeit, sie ist erfüllt mit Kultur, Geist und Leben. Auch gerade die
bescheidenen Äußerungen der Vergangenheit sagen viel aus über das Leben der
früheren Generationen. Diesen Zeugnissen nachzuspüren ist unsere Aufgabe. Volkskunde
, Landeskunde, Landesgeschichte sind nichts Abstraktes, aber erst zusammen
ergeben sie ein lebendiges Bild.
Wir verstehen wohl den Überdruß an der Geschichtsschreibung alten Stils. Wie
eine Mauer steht das Zeitalter des Absolutismus mit seinem Nachlaß, mit den bis
heute nachwirkenden Staatsvorstellungen, mitsamt deren schrecklichen Entartungen
, vor unserem Geschichtsbild. Eine unserer Aufaben sollte es sein, klarzumachen
, daß unsere Geistesgeschichte und viele bis heute wirksame Traditionen,
auch politischer Natur, in einer Bevölkerungsgeschichte älterer Jahrhunderte
wurzeln. Ohne deren Kenntnis können die unheilvollen Entwicklungen der
(deutschen und europäischen) Vergangenheit nicht unbefangen gesehen und dadurch
überwunden werden. Daß eigene Geschichte auch immer Bevölkerungsgeschichte ist,
macht die Arbeit daran häufig mühsam genug.
Deshalb sollten wir den Begriff „Arbeitsgemeinschaft" wieder stärker in den
Vordergrund rücken. Das heißt, daß unsere Autoren sich häufiger über die
Stoffe aussprechen, an denen gearbeitet wird. Es gibt eine ganze Reihe von
Themen, die nur nach langwieriger und langdauernder Materialsammlung ein
einigermaßen geschlossenes Ergebnis bringen. Sie könnten wesentlich gefördert
werden, wenn deren Probleme und die Punkte, auf die es bei der Lösung ankommt,
schneller all denen bekannt werden, die bei ihren Archiv- und Literaturstudien
Belege, häufig wertvolle Zufallsfunde, festhalten und austauschen können. Auch
für die Bündelung der Thematik unserer Zeitschrift ist die Kenntnis von Vorarbeiten
besonders wertvoll. Seitdem unsere Hefte thematisch Untertitel tragen,
haben sie an Anziehungskraft und Bekanntheit gewonnen. Für die große redaktionelle
Mehrarbeit unseres Schriftleiters Fritz Schülin sei deshalb auch besonders
herzlich gedankt.
Auf einigen Gebieten ist Zusammenarbeit sogar unerläßliche Vorbedingung für
bald greifbare Ergebnisse. Da ist die Fortführung und Ergänzung von Sammelwerken
, wie es Hubert Baums „Alemannisches Taschenwörterbuch für Baden"
darstellt. Eine solche Sammlung führt Friedrich Vortisch sen. (in Lörrach, Sonnenrain
22) weiter.
Auch die Herausgabe einer Alemannischen Sprachlehre sollten wir im Auge
behalten, obgleich an offizieller Stelle Bedenken, wenn auch keine formulierten,
das Vorhaben bisher blockiert haben. Hier kann nur nach Sachgebieten in Arbeitsgemeinschaft
gearbeitet werden, nach allgemeinen Gesichtspunkten der Dialektologie
müßte ein möglichst großer Raum abgedeckt werden, aber so, daß der
Pädagoge lokale Besonderheiten einbeziehen kann. Im übrigen muß auch der
interessierte Liebhaber damit angesprochen werden.
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