http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1979-01-02/0107
an der Zeit, das aufzuzeigen, was der Zeit enthoben ist und dauernde Geltung beanspruchen
darf.
Lyriker der Hochsprache
Schon die Dramen bezeugen, wie Burte den Vers meistert. Die Annahme, daß
er seine Kraft als Lyriker auch an schwierigen Versmaßen erprobt, bestätigt sich
schon beim Blick in die frühesten Gedichtbände. Gleich die beiden ersten lyrischen
Werke, „Patricia" (1910) und „Die Flügelspielerin und ihr Tod" (1913), waren
groß und kunstvoll angelegte Sammlungen von Sonetten. In dieser Gedichtform
haben sich zwei Vierzeiler und dann zwei Dreizeiler mit je zwei Reimen zu begnügen
. Nehmen wir als Beispiel das Sonett:
Mutiger Gedanke
Ihr lieben Brüder, scheltet nicht den Sänger,
Weil er entbunden scheint von Amt und Pflicht:
„Er ist im Leben unser Bruder nicht,
Der arbeitungewohnte Müßiggänger.
Die Hupen hürnen uns zur harten Schicht.
Er bleibt ein Launenspinner, Grillenfänger,
Ein Wortewechsler und ein Sachenmenger,
Wir sind ihm nur der Stoff in sein Gedicht!"
Im Dichter treibt ihr alle euer Wesen.
Von dem, was werden will, ist er ein Ahner,
Von dem, was kommen muß, gewillter Planer,
Ein Gassenmacher und ein Wegebahner,
Ein Knechtetröster und ein Herrenmahner,
Wenn er nicht singt, so seid ihr nie gewesen.
Dieser junge Lyriker erstrebte nicht das sangbare Lied, sondern das kunstvolle
Wortgeflecht, in dem sich Wendungen zu biegen haben wie Weidenruten. Burte
ist nimmermüd auf die Wortsuche gegangen und bis zur Wortschöpfung vorgedrungen
. Er hat Gedichte Voltaires übersetzt (1934), ja unter dem Titel „Adler
und Rose" (1949) sogar ein ganzes Buch mit Übersetzungen von französischen
Gedichten aus vier Jahrhunderten herausgegeben. In der Zwischenkriegszeit erschienen
die beiden gewichtigen Gedichtbände „Ursula" (1930) und „Anker am
Rhein" (1938). In der Nachkriegszeit werden die Verse des reifen und demütiger
gewordenen Dichters besinnlicher. Schon die Titel deuten es an: „Psalter um
Krist" (1953) und „Das Heil im Geiste" (1953) sowie „Stirn unter Sternen"
(1957). Der schöne Band „Die Seele des Maien" faßte 1950 Burtes „Gedichte
um Hebel" zusammen, das „Lied aus Murperg" (1959) die späten Gedichte des
Achtzigjährigen.
Zählt man in den rund zehn Gedichtbänden mit hochdeutschen Versen diö
Seitenzahlen zusammen, so sind es deren rund 1700. Welch' kaum überblickbare
Fülle! Da zudem die meisten Bücher Burtes vergriffen sind, ist es sehr dankenswert
, daß Prof. Dr. Franz Burda in seinem Verlag in Offenburg uns nun eine
Auswahl aus den Gedichten von Hermann Burte vorlegt. Darin findet sich auch
eine Probe der zügig-kraftvollen Handschrift des Dichters. Sie hält das Gedicht
„Himmlische Ernte" fest, das die bewundernde Liebe Rainer Maria Rilkes gefunden
hat.
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