http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1979-01-02/0108
Meister der Mundart: „Madlee"
Unter den Gedichtwerken Burtes haben seine „Alemannischen Gedichte", die
er 1923 unter dem Titel „Madlee" herausgab, ihr besonderes Gesicht und ihr
einzigartiges Gewicht. Wieder steht wie bei den Bänden „Patricia" und „Ursula"
ein Frauenname auf dem Stirnband: Madlee ist die alte alemannische Kurzform,
der Rufname für Magdalena. Der Leser des „Wiltfeber"-Romans kennt die
„schwarze, hohe Gestalt" der Markgräflerin bereits, die an Gotthelfs seltsame
Magd Elsi erinnert, wie ihm auch die Dame Ursula aus dem Nordosten, die
„Herrin mit blauen, stählernen Augen und weißblonden Haaren", bekannt ist.
Ursula verkörpert waches Bewußtsein, Wissen und Wille, Madlee aber ursprüngliche
Natur und das wüchsige Wesen der Heimat. Im Gedichtband erscheint sie
als die Heimgegangene, die in der „Berufung der Madlee" durch das Dichterwort
erst ins Leben zurückgerufen werden soll:
„Chumm, wenn's Morgelüte schallt
Ab der aide graue Chilche —
Hochi nobli liebi Gstalt
Haimeszue! un bis Gottwilche!"
Der erste der vier Hauptteile ist mit „Volk" überschrieben. Das letzte Gedicht,
zugleich die Überleitung zum zweiten Hauptteil „Weib", ist eine eindringliche
und umfassende Danksage an die Frau, die dem Dichter Muse, Braut und Mutter
in einem ist:
„Mi mueterisch Du a! Die Ryme do
Hanich as Gob us Dyne Hände gno,
Un ha my Lebe lebig dry verwobe.
Sie solle Di, nit ihre Schryber lobe!
Du ballti Heimetärde, dunkli Brutt,
Du hesch mir Liebi geh und ich Dir Lutt:
Der Geist, wer weiß wohar, e stolzen Oode,
Bruucht, wil er mueß, e Seel vom Mueterbode.
Vergelt Der Gott Dy Geh, verzeih my Neh:
All Madlee Madlee all Ma^imadlee!"
So leidenschaftlich die Liebe zur Frau ist, so erschöpft sich der Dichter doch
nicht in ihr. Der dritte Hauptteil wurde im Aufblick zu „Gott" gedichtet, und der
vierte ist ein eigenmächtiges, ja bisweilen trotziges Bekenntnis zum ureigenen
„Ich". Diese allerenden durchschlagende Selbstdarstellung ist für den Dichter
wichtiger, als den Volkston eingängiger Liedchen zu treffen. Gewiß, der Poet
steht im Volk und steht zu ihm. Er kennt und gebraucht seine Sprache, aber er
münzt den goldenen Sprachschatz des Alemannischen, wie er dem Gebiet um den
südwestlichen Schwarzwald eigen ist, auf seine unverwechselbare Weise aus,
gleichsam als wollte er unter die landauf und landab gängigen Münzen ein paar
Gedenkmünzen aus Silber und Gold rollen lassen und sie mit träfen Sprüchen
versehen. Bündig und knapp, wie Sprüche nun einmal sein sollen. Der Kenner
staunt immer aufs neue darüber, welche Fügungen unserm Dichter dabei gelingen.
Manche Strophen sind sozusagen zu gedrängt gebaut, um im Markgräflerland in
weiten Kreisen volkstümlich zu werden. Burte will indessen nie nur der Sprecher
der Bauernsame und der Rebleute sein wie viele, allzuviele herkömmliche Sänger.
Gewiß hat er Auge und Ohr für die Poesie der stillen Dörfer: „Es glänzt e Pflueg,
e Glocke lütet näume." Allein er verhüllt seinen Blick nicht vor der Industrielandschaft
und den sozialen Fragen, die sich dort stellen, „wo hoochi Cheemi stöhn
wie Fahnestange, wo schwarzi Cholefähne drüber hange", und kommt zum
Schluß: „'s Rebland und Webland soll my Lebland sy!"
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