Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 4688,fm
Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
41.1979, Heft 1/2.1979
Seite: 143
(PDF, 39 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1979-01-02/0149
Die Entwicklung der Traumauffassung läßt sich in der Zeitschrift „Gnothi
Sauton" gut verfolgen. Im ersten Jahrgang von 1783 spielen Träume und
Traumtheorien noch eine ganz geringe Rolle. Das fiel selbst dem Herausgeber
auf, der in einem Kommentar zu den ersten drei Bänden den Mangel an derartigen
Aufzeichnungen beklagt **). Wie nüchtern damals Träume eingeschätzt
wurden, verdeutlicht eine Bemerkung in dem Bericht über einen Geisteskranken:
Noch eine wunderliche Einbildung dieses Mannes zu berühren, muß ich
seines Traumbuches erwähnen. Er hielt die Träume für eine Art göttlicher
Eingebung, und schrieb sie sorgfältig früh Morgens sogleich auf. Freilich
würde dieses kein Geschäft für manchen mit Arbeit belästigten Mann
seyn 49).

Das Bild ändert sich in den nächsten Jahrgängen nicht wesentlich, im Vorwort
zum 4. Jahrgang (1786) jedoch bietet Karl Philipp Moritz eine Traumtheorie:
Jeder Traum, den wir haben, er scheine so unbedeutend wie er wolle, ist
im Grunde eine merkwürdige Erscheinung, und gehört mit zu den Wundern
, wovon wir täglich umgeben sind, ohne daß wir unsere Gedanken
darauf richten 50).

Von dem Wunderbaren des Traums ist dann allerdings nicht mehr die Rede,
er gilt — wie bei Lichtenberg — vor allem als Mittel zur Erkenntnis seiner
selbst 51).

Der phantastische Stil der Träume wurde bald bemerkt, ohne daß das auf die
Art der eingesandten Träume Einfluß gehabt hätte. Ein L. D. Voss schreibt:

Die seltsamste Zusammensetzung grotesker Ideen. Die buntschattigsten
Bilder tanzen umeinander umher; und der Traum des vernünftigen
Mannes gleicht dem Wahnwitze 5ä).
Aber auch dieser Hinweis fand in den eingesandten Beiträgen keinen Niederschlag
.

Bei dem Versuch, die Ursachen des Traumes aufzuhellen, stimmen die meisten
Ansätze überein. Der Traum ist danach fortgesetzte Tätigkeit der Seele bei Ausschaltung
der Vernunft 53). Eine andersgeartete oder gar höhere Einsichtsfähigkeit
des Träumenden wird dagegen strikt geleugnet, allerdings vor allem hinsichtlich
prophetischer Fähigkeiten **), was die Einsender aber nicht abhielt, immer neue
Wahrsageträume zu liefern, und die Herausgeber nicht, sie abzudrucken. Pockels
„Psychologische Bemerkungen über Träume und Nachtwandler" kennzeichnen
treffend die Haltung der Aufgeklärten:

Alle jene lächerlichen Einbildungen von einer geheimen Bedeutsamkeit
der Träume, und einer durch dieselbe geschehenen (wie man es gar nennt
göttlichen) Inspiration abgerechnet, wovon sich leicht ein vernünftiger
Seelennaturforscher überzeugen darf und soll, bietet der Traum als bloßes
Mzf«rphänomen betrachtet ein ganz eigenes noch lange nicht genug
bearbeitetes Feld psychologischen Forschens dar und verdient durchaus
nicht so obenhin, wie in den meisten Seelenlehren abgehandelt zu
werden. 55)

Diese Auffassung, wenn auch vertieft, prägt die beiden letzten Jahrgänge (1792
und 1793), die beinahe ganz das Werk Salomon Maimons sind. Nur einmal
liest man einen Satz, der schon auf Jean Paul zu weisen scheint: „Das Ich ist
demnach in diesem Zustand [dem Traum] nur schwebend" 56).

Jean Paul galt schon bei den Zeitgenossen als der Dichter des Traums. „Da
sie in Friedrich Richters [d. i. Jean Paul] Werken wohl belesen", sagte E. T. A.
Hoffmann von einer seiner Heldinnen, „so gelang es ihr in dem Augenblick einen
Traum zu improvisieren, der phantastisch genug klang [. . .]" 3T). Vor allem Jean
Paul hat die Vorstellung vom romantischen Traum geprägt. Ihm ist es auch in
erster Linie zu verdanken, daß sich gegen die aufklärerische eine romantische
Traumtheorie durchsetzte. Danach war der Traum Urquell der Poesie und

143


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1979-01-02/0149