http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1979-03-04/0080
Du bist kein Jahrmarktschreier. Deswegen werden Dich die Stillen im Lande
gernhaben ..."
Dann fand der Häuslebauer in der Thüringerin Tina auch die rechte Frau zur
Ergänzung. Wie Philemon und Baucis lebten sie in ihrer Hütte. Weiterhin entstanden
schöne Holzschnitte, und als die Augen nicht mehr so recht mitmachen
wollten, verlegte Alban sich auf Glasmalerei, auf Aquarelle und ölmalen auf
Papier, Karten, Gutex- und Hartfaserplatten. Landschaften entstanden und viel
Phantastisches.
Es ist merkwürdig, daß Alban, welcher mit so hellen, so lustigen Augen in
die Welt blickte, keine leuchtenden, hellen Farben verwandte für seine Bilder.
Sie sind meist ohne Glanz, graugrün, grauschwarz, aschig, düster. Bleischwer ist
der Himmel. Er sagte einmal über seine Bilder: Ich suche die Motive in der
Dämmerung oder vor einem Gewitter oder bei aufziehendem Sturm. Dann fließen
die Farben und Formen harmonisch ineinander über und bilden eine organische
Einheit. So ist es kein Wunder, wenn die hellen, leuchtenden Farben fehlen.
Willy Ferdinand Fischer hat wohl am besten die Kunst Albans gewürdigt:
„Er schmiedet Verse und schneidet sie in Holz, er beobachtet Bäume und Farn und
Wurzeln und schneidet sie in Holz, er geht durch die Landschaft des Dinkelberges,
durch die alten Gassen in den kleinen Hochrheinstädten und atmet die Stille der
Vergangenheit, die noch herüberweht und malt sie, malt sie grau und ockerfarben,
graugrün und grauschwarz, ganz verhalten, als ob er nur das Vergangene, das
Alternde und das Dämmrige sähe, malt sie, wie es heute kaum noch ein Maler
wagen mag: fern von den glühenden, sprühenden Farben des leuchtenden Lebens,
fern vom Jubel unbeschwerter Bejahung. Dem Heimlichen geht er nach und dem
Unscheinbaren, dem Gebüsch an der Halde zum Beispiel, oder einem Mann, der
am Brückengelände dem Fluß nachsinnt, streift um die Burg Rötteln oder durch
das Degerfelder Tal, zeichnet und tuscht, wieder in Grau, wieder weltverloren,
ein wunderbarer Träumer, der sich gar nicht um den Lauf der Welt und das
Geschrei der Richtungen kümmert, nein, er ist Alban Spitz aus Minsein auf dem
Dinkelberg, und er sieht die Welt, die zaubervolle Welt rings um sich her nun
einmal in diese düsteren Farben entrückt und würde sich vermutlich dagegen
wehren, wenn man das .verfremdet' nennen wollte.
Die Tannen jagen den steilen Hang empor, der so steil ist, daß sie Mühe
haben, sich zu halten, und Alban Spitz hilft ihnen dabei und zeigt, wie steil
ein Hang sein kann und wie großartig die Bewegung ist, die darin steckt. Bei
Hauenstein windet sich der Rhein träge durchs Land, als ob er die Last des trüben
Wetters spürte und Mühe hätte, weiterzukommen. Alban Spitz steigt auf einen
Hügel, blickt über die alten dunklen Dächer, erspäht den Schwung der Ufer und
den Gegensatz zwischen dem blinkenden Spiegel und dem ergrauten Land und
zeigt ihn dem Beschauer, der zunächst zurückschrecken wollte vor dem vielen
Dunkel dieser Bilder; und dann spürt er, wie mächtig sie werden können, wie
das Gewitter über der Matte greifbar wird, wie tief das Leben einer Wolke sein
kann und wie selig er, der Alban Spitz, am Abend vor der Lampe an seinem
alten Haus gestanden und fast wie Spitzweg in das Unbegreifliche der Nacht
geträumt hat.
Er ist schon ein Eigener, der Alban Spitz, der meistens nur mit seinem Vornamen
zeichnet und beim Malen denkt: ,Schattesidde het e jedi Sach', die Träume
des Dinkelberges einfängt und sich dann auf einmal frei macht von den düsteren
Farben, von der 'Schattesidde' des Lebens ausbricht in das Lichte und Farbenfrohe,
ausbricht ins Aquarell, das nun wieder zu träumen erlaubt, aber die leichten Farben
anbietet und ihm Geschichte entreißt, die man nicht vergißt: Die Arkadische
Landschaft, Grüne Berge, Flammender Abend, Blaues Wasser, Cherub u. a. Hier
ist es, als kehrte der Maler eine verborgene Seite, die zweite Seele in seiner Brust
hervor, die der ersten das Leben erst ermöglicht. Doch treibt auch diese ihr Wesen
276
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1979-03-04/0080