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im Aquarell: sie sieht Menschen in der Qual, sieht Feinde, beobachtet Vögel,
drängt zur Abstraktion, zum Grübeln mit dem Pinsel und tritt erst in der farbig
aufrauschenden Hinterglasmalerei wieder zurück, um sich bei der Beobachtung
des Menschen, zumal seiner Unvollkommenheit, mit der zweiten zu vereinen,
damit die Karikatur entstehe, auf die sich der Sinnierer von Minsein so gut versteht
wie auf die Darstellung einer Heidschnucke und eines Nashorns, die dem
Anfang der Schöpfung so nahe stehen."
Ein schwerer Schlag versetzte dem Alban Spitz die Fusion von Minsein mit
Rheinfelden. Sie liegt ihm noch immer schwer auf dem Gemüt, je länger je mehr.
Die Verwaltung machte sich breit und breiter, gleich wie der Hausschwamm, allmächtig
, selbstherrlich. Sie „zerwaltete". Alban zog sich in die innere Emigration
zurück. Fast schlimmer noch drückt aufs Gemüt die Vision von der geplanten
Autobahn, die das Haus Grabbefrieden in Lärm und Abgase zu hüllen droht,
die 175 Hektar Wald von Minsein verschlingen will. Aber am schlimmsten freilich
drückt der Tod der lieben Frau Tina.
Die Begegnung
Alban Spitz war immer ein Fürsichmann, ein Besonderer, ein Eigener, der
seinen Weg ging und es auch wagte, gegen den Strom zu schwimmen. Mit seiner
hageren Gestalt, dem kantigen Kopf, dem eigenwilligen Haarwuchs glich er selbst
einem Holzschnitt und fiel auf in der Menge. Doch er ist gütig zu Mensch und
Tier und ist stets bereit, Großes und Gutes zu achten und zu würdigen. Wie sollte
er gleichgültig an dem größeren Landsmann Hermann Burte vorbeikommen?
Der Kunstschüler in Karlsruhe, welcher sich noch Gotthold Unnütz nannte,
ein Alleinständer mit schmalem Geldbeutel, hungrig nach Bildung und Kunst,
wohl auch ein wenig heimwehkrank, beschaffte sich in einer Buchhandlung
Burtes „Madlee". Er verschlang die Gedichte, erkannte die ungeheure Spannweite
zwischen Burte und Hebel. Es schien ihm, der alemannische Genius wäre aus
sich selbst herausgetreten, um sich in den beiden grundverschiedenen Dichtern zu
verkörpern.
Der Kunstschüler sinnierte: Hebel war in seiner Art richtig und ist dies auch
weiterhin. Burte ist auch richtig auf seine Art, und es ist sicher keine Lästerung,
wenn ich behaupte, daß Burtes Kreise noch weiter wellten, daß er in manchem
weit hinausging über Hebel, weil er eben auch anders ging, so eben, wie es ihm
entsprach. Bei Hebel spürt man den gemütvoll-beschaulich durchs Leben gehenden
Menschen und Pfarrer. Bei Burte spürt man den im Leben Mitwirkenden,
etwas von einem frisch mit anpackenden Manne.
Dann kam im Jahre 1933 eine Ausstellung Markgräfler Künstler im Saale
des Hirschen in Lörrach. Alban hatte einige Holzschnitte ausgestellt, und er
lernte zu seinem Erstaunen den verehrten Dichter als Maler kennen. Zur Eröffnung
hielt Burte eine wuchtige, klare Rede voll Präzision und Logik, die dem
lernbegierigen Kunstschüler sehr einging. Er staunte, daß der berühmte Dichter
selber Maler war, ja von der bildenden Kunst ausging.
Burte fand die Holzschnitte Albans gut und bat den Ausstellungsleiter Julius
Wilhelm, daß er ihm den unbekannten jungen Künstler vorstelle. So saßen sie
nach der Ausstellungseröffnung in der Wirtsstube des Hirschen zusammen. Der
Maler Ernst Schleith von Wieslet war auch dabei, ein beschaulicher Melancholikus.
und der Adolf Glattacker von Tüllingen, der Gnom mit dem lang umlockten,
mageren, bärtigen Gesicht. Burte, strotzend vor Gesundheit und Kraft, breit,
wuchtig, etwas gedrungen von Statur, bestimmt im Gehabe und sachlich nüchtern,
vornehm in der Aufmachung, führte das Wort. Er sagte zu Alban, seine Sachen
seien gut. Er habe gar nicht gewußt, daß da oben auf dem Dinkelberg auch noch
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