http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1979-03-04/0104
Wir kehren zurück zur Gesamtkomposition:
Dr. Feger hat die Frage erhoben, ob J. P. Hebel wohl selbst im Porträt der
Elisabeth die personifizierte „Wiese" gesehen habe? Eingangs schon habe ich darauf
hingewiesen, daß sowohl auf dem Kirschgartenbild, als vor allem auch auf
Agricolas Steinzeichnung die Worte aus der „Wiese" fehlen. Ausdrücklich hat er
in großen Lettern die beiden Namen auf den Stein gezeichnet: „J. P. HEBEL
ELISABETH BAUSTLICHER". Erst in den „Nachfolgelithographien" wird der
Name Elisabeths nicht mehr genannt, doch unter die Worte aus der „Wiese"
geschrieben: „Hebels Allemannisches Gedicht: die Wiese." Aus dieser unterschiedlichen
Beschriftung wird deutlich, daß Agricola selbst bei dem Mädchen an die
personifizierte „Wiese" nicht gedacht hat, denn er nennt sie ja bei ihrem Namen!
Doch war für ihn wohl in dieser Elisabeth Baustlicher das Markgräflerland vergegenwärtigt
, zu dem der Dichter spricht. — Pfarrer Sonntag gefallen allerdings
diese Worte aus der „Wiese" nicht, wenn er schreibt; daß diese Lithographien
„mit einem aus den Allemannischen Gedichten entlehnten, unpassenden Verse versehen
" worden seien. Agricolas Lithographie, auf der diese Worte nicht stehen,
hat er demnach nicht mehr gekannt. — Ob Hebel sich seiner Kritik angeschlossen
hätte? — Pfarrer Sonntag bemerkt außerdem über die Elisabeth, daß „Hebel dargestellt
ist, wie er einem ihm zur Aufsicht empfohlenen Mädchen eine Zurechtweisung
erteilt".
Deshalb fragen wir nun: Wer war Elisabeth Baustlicher?
Nach Agricolas Text unter dem Kirschgartenbild kommt Elisabeth aus Langen-
denzlingen. Bei Hebel nennt er dessen Geburtsort Basel und außerdem, daß er ihn
in Karlsruhe porträtiert habe. Kann daraus gefolgert werden, daß Elisabeth nicht
nur in Langendenzlingen geboren, sondern auch dort gemalt worden ist?
Die Kirchenbücher von Langendenzlingen (Denzlingen) klären nicht viel, aber
doch einiges, mit dem wir nicht rechnen: Im Geburtsjahr der Elisabeth — 1795 —
sind in diesem Dorf dreiunddreißig Kinder geboren, darunter drei ohne ehelichen
Vater. Zu ihnen gehört auch eine Maria Elisabeth, Kind der Christine Enderlin.
Sie ist am 15. September 1795 zur Welt gekommen. Als Vater wird vom Amt ein
Joh. Martin Wagner anerkannt, der ein Schneidergesell aus dem Württembergischen
war. — Weder in den Jahren zuvor, noch danach ist die Geburt einer
Elisabeth Baustlicher zu finden. Auch im Heiratsregister des Dorfes ist kein
Eintrag über eine mögliche Heirat der Christine Enderlin mit einem Mann, der
Baustlicher heißt, zu finden. Georg Längin nennt 1875 in seinem Lebensbild von
Hebel die Elisabeth „Christine Bauschlicher", was auf eine Namensverwechslung
mit dem ihrer Mutter hinweisen könnte. — Mehr konnte ich aus diesen Quellen
nicht erfahren. —
Eine weitere Frage von Dr. Feger lautet: „Hat Agricola die Elisabeth in
Karlsruhe porträtiert?"
Aus dem Text von Agricola können wir dies nicht entnehmen.
Doch wir müssen nun auf bestimmte Merkmale einer Bild-Komposition achten:
Wenn mehrere Personen in einem Gruppenbild porträtiert werden, dann besteht
die Gefahr, daß der Kontakt zwischen ihnen fehlt, weil sie nacheinander gezeichnet
worden sind, ohne daß die anderen Personen anwesend waren. — Als Mitarbeiter
des Malers und Graphikers Hermann Kätelhön, der in den Dreißigerjahren als
einer der bedeutendsten Porträtisten in Deutschland angesehen war, weiß ich
um diese Kontakt-Schwierigkeiten. Schon beim Porträtieren einer Person muß
der Zeichner mit seinem Modell ein Gespräch finden, in dem diese aus sich
herausgeht, denn nur so kann mehr entstehen, als wie eine Momentaufnahme eines
300
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1979-03-04/0104