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gleichen Begriff als „Markgräfler" registriert. Wie gemütvoll sind doch die Besuche
der Basler Freunde zu den vertrauten Rebdörfern, ihren Weinstuben und
gastlichen Bauernstuben! Einst feierten Stadt und Rebland gemeinsam d' Chilbi,
den Herbst, genossen dankbar und fröhlich den jungen Wein, und zum „Suuser"
und „Federwiße" das kräftige Buurebrot und die neuen Nüsse. So locken heute
und alljährlich wieder die Basler Gäste die örtlichen Winzerfeste zum geselligen
Festen und Genießen der köstlichen Gottesgabe des Landes, zum jungen Wein.
Das Heimatrecht des „Markgräfler"-Weines geht weiter als die historischen
Grenzen des Landes unter dem gleichen Namen. Sein „Gutedel" wächst ebenso
vortrefflich im Schutze der Isteiner Klotzenbucht und am Schliengener Berg wie um
das ehemalige Ordensschloß der Johanniter zu Heitersheim, um das Schloß der
Herren von Staufen wie um den Batzenberg und am Schönberg, also vom
Weiler „Schlipf" an der Wiese bis vor die Tore von Freiburg. Eine weitgespannte,
herrliche Reblandere zwischen den Münstertürmen der beiden Oberrheinstädte
reift an den sonnigen Lößhalden. Reb-„Berge" begegnen dem Saum des Waldes
an sonnigen Hängen noch an der 400 m-Grenze. Verlockend leuchten in der
weinseligen Erinnerung die feinen Namen auf der Weinkarte dieses Landes auf:
der blaue Burgunder vom Hornfelsen zu Grenzach, Gewürztraminer und Muskateller
aus den pfarrherrlichen Weingärten zu Istein, Gutedel vom „Wolf" im
Blansinger Berg, von der „Röti" in Auggen und vom „Reggenhag" zu Müllheim.
Die Namen bergen die feinen Ubergänge ihres Charakters von der Herbheit,
die Kraft und Reinheit verheißt, bis zur Milde voller Heimlichkeit. Der Basler
Freund liebt das Sonntagsland vor seinen Toren, das auch sein „Reb- und
Lebland" ist. Doch er trinkt nicht nur dort den „flüssige Sunneschy", oder
kommt gelegentlich zu seinen Vettern und Basen zum Herbsten, sondern kümmert
sich auch persönlich um die Sorgen und Mühen des Rebburs im Jahreslauf der
Rebe, die in der Pflege und Sorge für das verwöhnteste und empfindsamste Kind
seiner Kulturen aufgewendet werden: Mit Vorliebe wählt er darum auch die
Rebgassen für seine sonntäglichen Wanderwege, achtet mit Sorge auf die knospenden
„Brömli" vor den Nächten der „Eisheiligen", atmet den süßen, ahnungsvollen
Duft der Rebblüte an sonnenheißen Juni-Tagen und erlebt freudig im Frühherbst
das Weichen und Lutterwerden der Trübli. Er wundert sich nach dem großen Verderben
einer Frostnacht im Maien, oder nach einem vernichtenden Hagelschlag
oder einem Fehlherbst, über die Gelassenheit der Rebleute, welche danach, ohne
viel Wesens und Worte der Klage, das Erforderliche tun und weiter das heimgesuchte
Sorgenkind mit der altgewohnten Hingabe und Liebe pflegen. Diese
Kraft in der Treue, auch nach schmerzlichen Mißerfolgen, ist wohl tief in der
Seele, in der uralten Überlieferung von Gewohnheit und Sitte, begründet. Das
lebzeitlich von Geschlecht zu Geschlecht erneute und erregende Mühen und Sorgen
zwischen Hoffen, Erfüllung und Versagen, das unaufhörliche Wach- und auf der
Hut sein formten mit das weltoffene und lebhafte Wesen des Rebländers.
Fleiß, Treue und Hingabe der Oberländer Rebbauern retteten das liebste Kind
über schwerste Kriegsnöte der letztvergangenen 300 Jahre, über Vernichtung und
Niedergang durch Schädlinge und Krankheiten, oft entgegen seiner eigenen
schweren Art, seinem Hang zu Mißtrauen allem Neuen gegenüber. Selbst die zunehmende
Entfremdung von der Väterscholle, durch die Hinwendung zu beruf-'
lichem Neuland, konnte das innige Verhältnis zur Rebe nicht mindern oder gar
aufheben. Die verwaisten Ställe und die rostenden Pflüge mehrten sich wohl in
den Rebdörfern, aber der Arbeiter, Angestellte und Fabrikler ließen bis heute
nicht von ihren Reben.
Die enge Verbundenheit des Baslers mit seinem Rebgarten vor dem Haus haben
vor allem auch tiefgreifend die wirtschaftsgeschichtlichen Verhältnisse verursacht,
welche entscheidend in Stadt und Land schon seit dem Mittelalter und Jahrhunderte
lang gewirkt haben:
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