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Mangels an Laienbrüdern dieser Regel nicht mehr genügen konnte. 1208 mußte
das Generalkapitel des Ordens seinen Klöstern die Erlaubnis erteilen, ihre Güter
in Leihe und Pachtform auszugeben **).
Ganz besonders dürften die Weinbaugebiete diese Entwicklung zu spüren bekommen
haben, da die Hebung des Lebensstandards, die Zunahme des Handelsverkehrs
, die Bildung des städtischen Patriziats und der Zug des kleinen Adels
an die städtischen Dynasten- und Bischofshöfe eine gewaltige Zunahme des Wein-
verbrauchs mit sich gebracht haben dürften. Die zunehmenden Risiken großer
Eigenregiebetriebe gerade im Weinbau mögen dieses System erleichtert und beschleunigt
haben, zumal ja auch Pächter dem evtl. bestehenden grundherrschaftlichen
Verband des Verpächters angehört haben. Damit hat sich aber auch im
Rebbau der auf eigene Rechnung wirtschaftende Bauer entwickeln können. Und
dies besonders wegen der starken Ausdehnung der Rebflächen in bisher kaum
genutztes Gelände, Hänge und Steillagen — Kebberge. Auf diese wirtschaftlich
begründete Chance der Bauern gerade in Weinbau treibenden Gegenden, allmählich
auch ihre Rechtsstellung über die Selbständigkeit zu verbessern, sei hier
besonders hingewiesen. Selbst der Tagelöhner wird auf diese Weise zu einer
eigenen Wirtschaft gekommen sein, vorausgesetzt, daß ihm im nötigen Umfang
auch der Dünger, Steckenholz und andere Hilfsmittel zur Verfügung standen.
Die Neuanlagen erfolgten aber nicht mehr in der früheren Art. Das Auspflanzen
der jungen, frischbewurzelten Schosse, eben der Reben (vgl. oben die Erklärung
des ahd. Worts), geschah nun außerhalb der Orte, auf offenen Anbauflächen, auf
einem Acker oder, wie gesagt, an Berghängen. Die Neusetzi war ein Rebacker,
ein Rebberg. Der Bauer ging in die Reben, nicht mehr in den herrschaftlichen
„Weingarten". Jetzt haben wir Rebbauern vor uns, Rebleute, der Einzelne war
ein Rebmann.
Diese Veränderung des Sprachgebrauchs — weg von den Zusammensetzungen
mit Wein-, hin zu denen mit Rebe- ist in den Flurnamen unserer Weinbau
treibenden Orte überall festzustellen. Der ältesten Schicht unserer Flurbezeichnungen
gehören Flurnamen wie „Kamerte" und „Weingarten" an. Z. T. haben sie
sich bis heute erhalten. Bei „Weingarten" darf man sehr alten herrschaftlichen
Weinbau voraussetzen, bei „Kamerte23) wurden in ganz früher Zeit die Reben
auf den Grundstücken laubenförmig gezogen, wie das in südlichen Ländern heute
noch anzutreffen ist, in unserer Nähe etwa im Tessin.
Auch in unserem Gebiet beginnt ja die Überlieferung dieser Flurnamen in
lateinischen Texten mit „vinea", was der damaligen Wirtschaftsweise entsprechend
mit „Weingarten" verdeutscht wird, eine Flurbezeichnung, die in vielen unserer
alten Weinbau-Orte erhalten geblieben ist. Aber es sind die Ausnahmen. In weit
größerem Umfang sind seit Beginn der Überlieferung deutschsprachiger Texte —
Ende 13., Anfang 14. Jh. — die mit Rebe gebildeten Flurnamen überliefert, wie
Rebgarten, Rebacker, bi den Reben. Häufig sind auch Lagebezeichnungen mit
Angabe der Größe des Flurstücks und seiner Nutzungsart, etwa: „2 mann werk
reben oben an dem boumgarten" (Fischingen ao. 1345) oder „reben am Lerchenberg
" (Auggen 1325). Erwähnung verdient hier auch die Nennung Wilder Reben
in einem Brombacher Flurnamen ao. 1406: „Acker im waldestal by den wilden
reben".
Durch die geschilderte Ablösung der herrschaftlichen Wirtschaftsweise durch
eine bäuerliche, volkstümliche Weinwirtschaft sind die volkssprachlichen, offenbar
sehr alten Wörter aus der Arbeitswelt des Rebbaues auch in der Schriftsprache
sichtbar geworden. Und zwar in einem Raum, der von der Nordwestschweiz im
Süden bis weit über das alemannische Sprachgebiet hinaus nach Norden reicht.
Rebe-Wörter im alemannischen Sprachbereich
Das Schweizerdeutsche Wörterbuch gibt eine ganze Reihe von Flurbezeichnungen
mit Rebe- wieder, aus deren Belegen etwa auch die südliche und östliche
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