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nehmend wieder freigelegt — unter anderem auch deshalb, damit das Holz wieder
Luft bekommt. Man erkennt dann ohne Mühe an den Beilhieben im Holz, welches
Haus früher sein Fachwerk unter Putz versteckt hatte.
Soweit über die Gebäude, die jahrhundertelang von der Landwirtschaft geprägt
wurden.
In einer Untersuchung über Lebens- und Wohnverhältnisse im ländlichen Raum
am Beispiel der Gemeinde Efringen-Kirchen stellen Ipsen/Schöning fest, bäuerliches
Wohnen ist von dem der meisten anderen sozialen Gruppen dadurch unterschieden
, daß Wohnen und Arbeit, Haushalt und Beruf, Familie und Kollegen räumlich
und zeitlich in einem höheren Maß integriert sind. Gerade dieser traditionelle
Zustand löst sich mit der Technisierung der landwirtschaftlichen Arbeit mehr und
mehr auf und findet auch in veränderten Wohnformen seinen Niederschlag.
Äußerlich sichtbar wird dies zuerst an dem geänderten Verhältnis von Wohn-
und Wirtschaftsgebäuden. Die Wirtschaftsgebäude alter Bauernhöfe sind heute oft
überdimensioniert, gepreßtes Heu und Silofutter haben die großen Scheunen überflüssig
gemacht. Hier ist Raum für Umbauten gewonnen worden. Bei neuen Bauernhöfen
zeigt sich die Veränderung daran, daß das Wohnhaus nicht mehr Anhängsel
der Wirtschaftsgebäude ist, es ist auch räumlich meist getrennt und gewinnt
ein größeres Gewicht.
Der Aussiedlerhof, außerhalb des Dorfes gelegen, ist die deutlichste Form einer
angestrebten Trennung von Wohnen und Arbeit. Neben werkstattähnlich gebauten
Stall- und Wirtschaftsgebäuden und überschattet durch hohe Futtersilos steht ein
getrenntes städtisches Einfamilienhaus. Dem Aussiedler, den man befragt, gefällt
es; er möchte nicht mehr in die Enge des alten Dorfes zurück. Sein wesentliches
Problem ist z. B., den Bereich um das Wirtschaftsgebäude auf preiswerte Art und
Weise zu betonieren, damit er nicht immer den Dreck ins Haus trägt.
Ein anderer junger Bauer äußerte sich so: „Wenn es nicht unbedingt sein muß,
wird samstags nicht mehr auf dem Feld gearbeitet, nur noch so direkt auf dem Hof
ein bißchen. Irgendwann muß mal Schluß mit der Arbeit sein". Die Trennung des
Wohngebäudes von den Wirtschaftsgebäuden ist nur die räumliche Entsprechung
eines geänderten Verhältnisses zur Arbeit, die nicht mehr der einzige Lebenszweck
ist. „Man will es schön haben." Die landwirtschaftliche Arbeit ist entmystifiziert
worden. Ein Landwirt rechnet uns heute im einzelnen die Kalkulation des Maisanbaus
vor, einschließlich der Abschreibung für den stärkeren Schlepper. Eier werden
im Laden gekauft: „Man kann nicht allen Viechern hinterherlaufen". Was man
anbaut oder welches Vieh man hält, ist nicht mehr durch die Tradition bestimmt,
die sich als ein innerer Bezug zur Tätigkeit selber darstellte, sondern ist durchsichtig
von außen durch Marktverhältnisse und die staatliche Agrarpolitik bestimmt
. So macht die Technisierung und Rationalisierung der landwirtschaftlichen
Arbeit die Freizeit und den von der Arbeit getrennten Raum möglich und nötig.
Ein Bauer, der sich zur Ruhe gesetzt hat, wird rückblickend feststellen, daß Leitungswasser
durchaus eine Annehmlichkeit ist, die die Lebensgewohnheiten ändert,
für die junge Generation ist es eine Selbstverständlichkeit.
Die Küche eines Aussiedlers ist modern eingerichtet: Kühlschrank, Gefriertruhe,
Spülmaschine, Hängeschrank und pflegeleichter Tisch. Der Boden besteht aus Plastikfliesen
, an den Wänden Hängeschränke, in einem Vorraum kann man die
Schuhe ausziehen. Die Haushaltsarbeit ist so leichter geworden. Mancher findet,
daß man des Guten zu viel getan habe. „Manche Tradition ist wertvoll". Aber die
Renovierung alter Möbel ist teuer und die Pflege aufwendig. „Das kann sich nicht
jeder leisten."
Die Wohnung ist gegenüber früheren Verhältnissen aufgewertet worden — sie
ist größer. Wenn es irgend geht, hat man eine Toilette, ein Bad und Zentralheizung
. Jedes Familienmitglied beansprucht jetzt einen eigenen Raum, in dem man
leben und sich zurückziehen kann. Andererseits: Wir finden auch Landwirte, die
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