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durch Enthaupten. Zum Glück trafen die Truppen des „Türken-Louis" mit angeblich
12 000 Mann rechtzeitig ein, so daß Tököly es für ratsam hielt, v. Heydendorff
zu begnadigen, unter Hinweis auf den gemeinsamen evangelischen Glauben. So
wurde das Leben des Bürgermeisters durch den badischen Prinzen gerettet. Gerade
während dieses Feldzuges lernten badische Soldaten Siebenbürgen kennen, blieben
zum Teil dort oder berichteten später in ihrer Heimat über die günstigen Siedlungsmöglichkeiten
in Siebenbürgen. Dazu kam noch, daß österreichische und
ungarische Husaren im Markgräflerland stationiert waren. Die von den Soldaten
geschilderten Verhältnisse erleichterten die Werbungen der kaiserlichen Generale
außerordentlich und erklärten die Tatsache, daß Durlacher schon 1723 ansässig
wurden.
Die Einwanderer scheinen sich in der neuen Heimat gut eingelebt und bewährt
zu haben. Es gab anfänglich Streitigkeiten zwischen ihnen und den Eingesessenen.
Sie versuchten die versprochene Steuerfreiheit zu verlängern, und es wurden
wegen des „Kukurutzanbaues" (Maisanbau), der Auszahlung des militärischen
„Schlafkreuzers" (Quartiergelder), des Raudifangkehrers und um den Anbau des
Tabaks gestritten. Der Anbau des Tabaks war scheinbar eine besonders rentable
Verdienstmöglichkeit. Es ist anzunehmen, daß die Hanauer den Tabak aus ihrer
Heimat mitgebracht haben.
Daß man mit den Emigranten nicht immer zufrieden war, beweist folgendes
Gespräch: Als Kaiser Joseph II. 1773 Siebenbürgen bereiste, begleitete ihn unter
anderen auch der Mediascher Bürgermeister Michael Conrad von Heydendorff
(1730—1821) zur Berichterstattung. Auf die Frage des Kaisers, wie man mit
den Hanauer Einwanderern zufrieden sei, soll v. Heydendorff vorsichtig geantwortet
haben: „Gemischt, Euer Majestät!".
Alle Zwistigkeiten unter den Alt- und Neubürgern waren in der zweiten
Generation bereits vergessen. Die ursprüngliche Behauptung, daß die Sachsen
es den Zugewanderten schwer gemacht hätten, Fuß zu fassen, ist nicht aufrecht
zu erhalten.
Als gutes Zeichen des Einvernehmens und in der Erinnerung an die badische
Heimat hielt ein alter Durlacher, der Leinenweber Jacob Fäustlin (Feistel), am
Dreikönigstag 1843 — beim 100jährigen Einwanderungsfest — in Mühlbach
folgende Ansprache:
„Mini Herre! Bevor die Sproch, die vor hundert Johre unseri Vorfahre
g'redt hän, ganz vergässe wurd, lehn Se mi noch in däre Sproch Gisundheit
trinke!
Alle Ditsche, die in unserem liebe Siebenbürgen wohne, ob sie vor siebe-
hundert Johre oder nur vor hundert i'gwandert sin und in unserem
Stammland wohne, solle läbe! Unser Herrgott erhalte alli, die e ditschi
Sproch rede!"
Besonders hoch war die Sterblichkeit unter den Eingewanderten, wie sich aus
den Kirchenmatrikeln nachweisen läßt. Allein in Mühlbach wurden in kurzer
Zeit 109 Zugewanderte beerdigt, Ursachen mögen veränderte klimatische Verhältnisse
mit sehr heißen Sommern und sehr kalten Wintern, andere Ernährungsweisen
, Seuchen (Typhus, Ruhr, Malaria) und hohe Säuglingssterblichkeit gewesen
sein. Auch scheinen die Todeszahlen unter den Frauen erheblich gewesen
zu sein (Kindbettfieber?), da oft von mehrfacher Eheschließung der Männer
berichtet wird.
Die Durlacher und Hanauer haben sich mit den Sachsen in den weiteren
Generationen vermischt und sind im Sachsentum aufgegangen, obwohl sie selbst
ein Grenzlandvolk mit einer schweren Geschichte waren.
Wie jede Völkerwanderung hat auch diese für alle Beteiligten eine bedeutende
Blutauffrischung gebracht, deren große Vorteile sich erst in späteren Generationen
erweisen.
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