http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1980-03-04/0116
jedenfalls war die Symbiose zwischen Sachsen und Emigranten ein glücklicher
Vorgang und hat für das sächsische Volk eine wesentliche Stärkung im
harten Existenzkampf gebracht.
Das sprachliche Verhalten der Eingewanderten ist interessant. In Orten, in
denen wenige Zugewanderte waren, haben sie ihre alemannische Mundart bald
verloren. In Gegenden mit nur Nichtdeutschen haben sie ihren Dialekt (Hadad
und ganz besonders in Saderlachü!) viel länger bewahrt. Im Unterwald und
anderen Gebieten haben sie die Mundart viele Jahrzehnte erhalten, sie aber
in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts aufgegeben und mit dem Sächsischen
zu einer Einheit verschmolzen. Man sprach dann weder alemannisch noch
sächsisch, sondern eine Umgangssprache, die leicht vom österreichischen Beamtendeutsch
beeinflußt, dem Hermannstädter „Unterstädtischen" glich.
Es ist in diesem Zusammenhang nicht möglich, auf die vielen interessanten
Schicksale der Familien einzugehen. Doch soll beispielhaft für Ungezählte auf
einige wenige Familien eingangen sein.
Aus Mühlbach finden wir besondere Angaben über Tätigkeit und Aufstieg
einzelner Familien. Als Handwerker und Kaufleute gründeten sie namhafte
Unternehmen. Die Glaser und Dahinten waren Gerber und später Lederfabrikanten
, die Baumann waren Leinen- und Baumwollweber, Schnittwaren- und
Risenhändler, ebenso die Familie Heitz. Die Leibli hatten eine große Tischlerei.
Ein Zweig der Dahinten besaß eine Metzgerei. Im geistig-kulturellen Leben der
Stadt waren die Gestalter Möckel, Baumann, Klaster (gesprochen Klaschter),
Krasser und deren Nachkommen führend. Um 1940 waren noch 60 bis 70 Prozent
der Mühlbächer Träger durlacher-hanauischen Erbes.
Die Eingewanderten setzten sich durch Tüchtigkeit, Fleiß und Lebensmut
riurch. Von den Durlachern wird berichtet, sie seien sehr anpassungsfähig, musikalisch
und kulturell aufgeschlossen gewesen. Man sagte, ein Durlacher singe gerne
und singe selbst im Sarge noch weiter.
Als beredtes Beispiel der glücklichen Völkervermischung ist wohl die Familie
Krasser zu nennen. Der erste bekannte Vorfahre Johann Friedrich Krasser
stammte aus der Fränkischen Schweiz aus Wonsees. Er zog nach Mühlbach (mit
einer Kuh und einer Geige) und heiratete dort 1782 Ursula Däscher aus dem
hanauischen Allmannsweier. Eine spätere Tochter des Hermannstädter Arztes
Dr. F. Krasser heiratet den Mediascher Chirurgen Dr. Julius Oberth. Aus dieser
Ehe stammt der bekannteste Siebenbürger Sachse, der „Vater der modernen
Raumschiffahrt", unser Prof. Dr. Hermann Oberth — kurz der Raketen-Ob er th
genannt.
Es seien hier weitere Familien erwähnt:
Die Vorfahren der Dahinten kamen nach dem Dreißigjährigen Krieg aus der
Schweiz in das Dorf Schallbach bei Lörrach, in der Herrschaft Rötteln, wo heute
noch Nachkommen l.^ben. Die Brüder Mathias und Lucas wanderten 1749 nach
Mühlbach aus und waren die Vorfahren der Metzger und Gerber. Deren Kindeskinder
leben jetzt auch im Badischen. Die letzte Frau Dahinten wurde erst kürzlich
in Schallbach beerdigt.
Auch die Ahnen der siebenbürgischen Familie Stolz stammen aus der Herrschaft
Rötteln. Hanß Stolz verabschiedete sich mit seiner zweiten Frau Anna
Leimenstoll aus Vörstetten am 26. Juni 1749 von der Gemeinde Hauingen zur
Auswanderung in das „gesegnete Fürstentum Siebenbürgen" (die Empfehlungsurkunde
ist noch in unserem Familienbesitz). Sein Vermögen betrug 200 Gulden.
In Reichesdorf gründeten sie die angesehene Familie Stolz, zu deren Nachkommen
u. a. auch die Familie Dr. Gustav Phleps (Agnetheln) gehört. Ein Sohn, der
Begründer des rumänischen Gebirgsjägercorps und Generalleutnant Arthur Phleps.
wurde von König Carol II. zwangspensioniert und trat um 1938 unter dem
S2Z
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1980-03-04/0116