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Sieben Zeilen aus „Madlee" von Hermann Burte
von K. Fr. Rieber t
Zum 150. Geburtstag J. P. Hebels hat der Dichter Hermann Burte — vor
über 50 Jahren — „Sieben Zeilen Hebel" geschrieben und herausgegeben. Sie sind
seither von vielen mit Gewinn gelesen worden und haben manchem Leser Joh.
Peter Hebels Kunst erschlossen. Wenn ich zum 100. Geburtstag Hermann Burtes
(durch ihn angeregt) versuche, ihn selber mit sieben Zeilen zu bedenken, so brauche
ich wohl kaum expressis verbis zu sagen, warum ich mich dazu am Vorabend seines
100. Geburtstages gedrungen fühle! „De mortuis nil nisi bene" haben wir in der
Schule gelernt. Doch was alleweil, Woche für Woche geschrieben und gedruckt wird,
das ist zum geringsten Teil bene! Vergeblich suche ich da ein klares und klärendes
Wort über das zu finden, was bleibt von dem, was Burte geschaffen hat! Gewiß
ist es nicht leicht, über eine so umstrittene Persönlichkeit wie Hermann Burte ein
rechtes und gerechtes Urteil zu fällen! Doch wem kommt es zu, da zu richten?
Heißt es nicht: „Richtet nicht, daß ihr nicht gerichtet werdet?" Darum soll der
Dichter in und mit seinen eigenen Worten von dem zeugen, was bleibt!
Mit Absicht habe ich nicht — wie Burte s. Z. bei Hebel — nur seine schönsten
Stellen ausgesucht und zusammengestellt. Ich ließ mich vielmehr (wie Picasso sagt:
„Ich suche nicht, ich finde") vom Dichter selber durch seine alemannischen Gedichte
der „Madlee" führen. Dabei fand ich nicht nur schöne, ja unvergänglich schöne
Verse und Strophen, sondern auch unter anderm ganz schlichte, aber treffende
kurze, knappe Aussagen, die gleichsam ganz privat, wie von Mensch zu Mensch
gesagt sind. Also nicht das künstlerisch-ästhetische, das des Meisters der Sprache
— und hier seiner ins Dichterische gehobenen Mundart — Sprache war, und ist
mir in den gefundenen sieben Zeilen wichtig, sondern ihre Aussage.
Nüt isch all, also ball!
Das kurze und knappe Leitwort der Gedichtsammlung „Madlee" steht nicht nur
über dem Buch, sondern es gilt gerade so auch für das ganze Leben und Werk
Hermann Burtes. Es faßt alles in seiner echt burtischen träfen Form zusammen,
was gesagt werden kann: das eherne memento mori — gedenke des Todes: „wirke,
solange es Tag ist, denn es kommt die Nacht, da niemand wirken kann." Es klingt
für mich wie ein alttestamentarisches Prophetenwort: himmelhoch und doch
bodenoch! So wie es bei ihm im Grunde kein „Zweierlei" von geistlich und weltlich
geben sollte, auch wenn es mitunter so schien.
Do wo der Rhy go Norde zieht
By Basel an de Brücke
Do lyt e Land im dütsche Biet
Gar schön in alle Stucke . . .
Das kernige, wie aus Hartholz geschnitzte klassisch-schöne Markgräflerland, beginnt
mit einem breiten, pathetischen Auftakt! Ich erinnere mich noch gut, als ich
(als junger Schüler seines Freundes Franz Philipp s. Zt. in Freiburg) diese Zeilen
in der noch nassen Partitur des Komponisten des Liedes fand und mit dem leider
viel verkannten Musiker über die Vertonung sprach. Nach der Karlsruher Aufführung
durch den Alem. Sängergau schrieb der Pfälzer Dr. Walter Leib, daß das
Alemannische der schönste und sangbarste deutsche Dialekt sei! (Er meinte wohl
Mundart, denn das Alemannische ist kein Dialekt!) Der zwingende feierliche
Rhythmus der Worte entspricht der Glut und der Begeisterung! Burte singt hier
wie die alten Choräle des 16. und 17. Jahrhunderts mit den gedehnten langen O-
Lauten am Anfang. „O Welt, ich muß dich lassen . . . „O Welt, sieh hier dein Le-
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