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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
42.1980, Heft 3/4.1980
Seite: 333
(PDF, 32 MB)
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daneben soll er aber auch seine Lehren verstehen. Was den Gebildeten durch
Naivität und Naturtreue entzückte, die Mundart, ist für den Ungebildeten die
Voraussetzung zum Verständnis der Lehre. Für den Gebildeten hat die Mundart
einen ästhetischen, für den Ungebildeten einen kommunikativen Wert. Dennoch
fühlt sich Hebel verpflichtet, die Mundart als Sprache der Dichtung noch ausdrücklich
zu verteidigen. Denn in diesem Punkt geht er weit über sein Vorbild
Voß hinaus. Zwar hatte auch dieser in „einer Sprache gedichtet [...], die selbst
jedem der niedern Klasse des Volks verständlich ist oder leicht verständlich gemacht
werden kann" 15), aber das war doch, von Ausnahmen abgesehen, Hochdeutsch
. Der ausschließliche Gebrauch der Mundart bedeutete tatsächlich etwas
Neues, und Hebels Motive dafür sind vielfältig16). Hier entschuldigt sich der
Dichter, er gebe nur „edle Dichtung" in einem neuen Gewände, eben der Mundart
, zudem in einer gereinigten Form. Gerechtfertigt wird das neue Gewand, da
„die Einfalt und die Naivetät der Volkssprache für einfache und liebliche Darstellung
" insbesondere tauge17). Hebel beruft sich hier auf einen Gemeinplatz,
der so alt ist wie die Beschäftigung mit der Mundart und ungebrochen bis heute
herrscht: Die Mundart ist lieblich, gefühlvoll, spricht das Gemüt an, Hochdeutsch
dagegen ist mehr die papierene Sprache kalten Verstandes Hier folgt Hebel
wohl eher einem gedanklichen Klischee als seiner Überzeugung.

Vier, dem aufgeklärten Zeitgeist verpflichtete Punkte hebt Hebel also bei der
Vorstellung seiner Gedichte hervor: Es sind Volksgedichte, für Gebildete wie
Ungebildete bestimmt, ihre Sprache ist wie ihre Thematik lieblich und naiv,
nicht zuletzt sind sie sprachwissenschaftliche Dokumente. Weil dieser Anzeige
jedes persönlichere dichterische Engagement fehlt und sie sich ganz auf eingängige
Vorstellungen beschränkt, wirkt sie nicht nur so kühl und wie von einem Fremden
geschrieben, sondern man hat auch den Verdacht, Hebel wolle nur den Erwartungen
seiner Subskribenten entgegenkommen. Aber ähnlich äußert er sich auch
in Briefen. Er habe versucht, so schreibt er an David Friedrich Gräter, der allerdings
auch als offizieller Adressat gelten muß,

genau im Charakter und Gesichtskreis des Vöikleins zu bleiben, aber eine
edle Dichtung, so weit sie sonst in meiner Gewalt ist, in denselben hinüberzuziehen
und mit ihm zu befreunden. Meine erste Absicht ist die, auf meine
Landsleute zu wirken, ihre moralischen Gefühle anzuregen, und ihren Sinn
für die schöne Natur um sie her theils zu nähren und zu veredeln, theils
auch zu wecken 19).

Hier spricht noch deutlicher als in der Anzeige der Aufklärer, der sich zu dem
„Völklein", das er belehren will, herabläßt. Auch das Staunen über den Beifall
r.cr Gebildeten, das in einem Brief durchschlägt20), ist ja nur ein Reflex der in
der Anzeige angesprochenen Zweischichtenrezeption.

Hebel hält sich für einen aufgeklärten und aufklärenden Dichter in der Tradition
von Johann Heinrich Voß. Auch die Zeitgenossen haben ihn so verstanden.

So wird Hebel in einer der frühesten Rezensionen als „Volksdichter" bezeichnet
21), eine Bezeichnung, die Jakobi aufnimmt"), Jean Paul spricht von
„Volksliedern" 23), ein schlesischer Rezensent von „Volksgedichten" 24) und Goethe
meint, Hebel habe den „Charakter der Volkspoesie" sehr gut getroffen 25). Dazu
gehört selbstverständlich der Hinweis auf die Fähigkeit der Gedichte, Gebildete
wie Ungebildete, die höheren Stände wie die niedere Klasse des Volkes anzusprechen
. Die „Oberdeutsche Literaturzeitung" orakelt:

Sprache, Versbau, Darstellung, und selbst jene Dichtersalbung, ohne welche
ein Gedicht weder schon noch interessant sein kann, sind die hervorstechendsten
Eigenschaften, wodurch diese Gedichte den Freunden ländlicher Natur
und Sitten, denen sie vorzüglich gewidmet sind, sich von selbst empfehlen:
aber auch Leser von höherer Bildung werden sie nicht ganz unbefriedigt aus
den Händen legen 26).

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