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4.2 Ausbau des Unternehmens durch die Gebr. Koechlin (1819-1857)
Die Geschäftslage stabilisiert sich entscheidend erst in den zwanziger Jahren. 1819
läuft der bestehende Gesellschaftsvertrag zwischen den Häusern Merian und Koechlin
ab. Die Koechlins haben jetzt den Wunsch, das Unternehmen alleine weiterzuführen,
weshalb Merian noch im gleichen Jahr als Teilhaber ausscheidet, der Firma aber weiterhin
als Kapitalquelle erhalten beibt.
Die Lörracher Fabrik ist in diesen Jahren Teil, bzw. Filiale eines riesigen konzernähnlichen
Komplexes von Spinnereien, Webereien, Bleichereien und Druckereien, deren
gemeinsame Zentrale sich in Mülhausen im Stammhaus Koechlin befindet. In diesem
Komplex »manufaktur - f abrikmäßiger Anlagen... geschaff en im Geiste hochkapitalistischer
Wirtschaftsweise«9' finden zeitweise insgesamt ca. 5000 Arbeiter, zahlreiche Angestellte
und Reisende Arbeit. Das Gesamtunternehmen kann wie folgt aufgegliedert
werden:
Ort Produktionsbetriebe
Mülhausen 1 Druckerei, 1 Spinnerei
Masevaux 1 Spinnerei, 1 Weberei, 1 Bleiche
Lörrach (inklusive 1 Druckerei, 3 Webereien96'
der Filialen)
Lörrach ist in dieser kleinen Aufstellung mit Filialen angegeben, welche seit 1819 in
Zell, seit 1821 in Steinen und seit 1822 in Schönau eingerichtet waren. Es handelte sich
bei ihnen durchweg um Webereien, deren Gründung zu dem Zeitpunkt notwendig geworden
war, als die hausindustriellen Handweber sich nicht mehr in der Lage sahen, das
nun zum größten Teil maschinell und damit in weit größeren Mengen als früher produzierte
Baumwollgarn zu verweben. Hinzu kommt, daß Anfang der zwanziger Jahre im
Wiesental noch keine mechanischen Webstühle in Betrieb waren, denn die technische
Entwicklung im Webereisektor hinkte jener im Bereich der Spinnerei noch weit hinterher
.
Aus diesen Gründen konnte der zunehmende Bedarf der Lörracher Druckerei an
Rohgewebe bald nicht mehr gedeckt werden, weshalb die Errichtung von Weberei-Filialen
sinnvoll und notwendig erschien.
In diesen zentralisierten Betrieben wurden vorwiegend Frauen und Kinder beschäftigt
, daneben aufgrund des großen Bedarfs auch noch eine größere Anzahl von Hauswebern
. Im Stammbetrieb in Lörrach hingegen widmeten sich überwiegend männliche Arbeitskräfte
der Veredelung der Stoffe, also dem Färben und Bedrucken der Gewebe.
Zu dem ursprünglich in Erwägung gezogenen Ausbau auch der Spinnerei kommt es
aber nie, da große Mengen Baumwollgarn wohl aus der Spinnerei St. Blasiens bezogen
wurden, welche bereits seit 1811 maschinell arbeitete.
Insgesamt werden in den zwanziger Jahren jährlich im Schnitt folgende Löhne an die
Beschäftigten ausbezahlt:
an Fabrikarbeiter 25.000 Gulden
an Heimarbeiter 10.000 Gulden.97)
Geht man davon aus, daß die Fabrikarbeiter mehr verdienten als die Heimarbeiter, so
muß deren Anzahl in dieser Periode noch sehr hoch gewesen sein.
In allen vier Betrieben werden nach Bolliger im Jahre 1828 insgesamt 988 Personen beschäftigt
, davon 428 in Lörrach und 560 in den Filialen, in welchen Mitte der zwanziger
Jahre gar noch 700-800 Menschen arbeiteten.98' Mit durchschnittlich ca. 1000 Beschäftigten
gilt das Unternehmen in diesen Jahren als »der bedeutendste Arbeitgeber in Baden
«.99)
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