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merklich schwächten. Auch die Koechlins beklagten sich in diesem Zeitabschnitt darüber
, daß »der Geschäftsgang der Druckerei flau (war)«.10" Erschwerend kommt eine
große Agrarkrise hinzu, die sich bereits in den Mißernten von 1846/47 bemerkbar macht
und eine in dieser Form seit Jahrzehnten nicht mehr erlebte Hungersnot in der Bevölkerung
auslöst. Es ist klar, daß bei gleichzeitiger Zunahme der Bevölkerung der Nahrungsmittelspielraum
erheblich verringert werden mußte. Das Außmaß der Krise wird noch
deutlicher, wenn man der Personalstatistik Bolligers die Beschäftigungszahlen für die
Jahre 1849 und 1852 entnimmt, die er allerdings selbst mit einem Fragezeichen versieht,
weil sie nicht eindeutig belegbar seien.1 w6 Demnach sind im Lörracher Betrieb 1849 noch
365 und im Jahre 1852 noch ganze 190 Menschen in Arbeit. 1853 verzeichnen die Behörden
eine Abnahme des Wohlstandes für den Amtsbezirk Lörrach und schreiben diesen
den »unglücklichen Jahren 1847 bis 1849«,07) zu.
»Krisenhafte Phänomene in Staat, Wirtschaft und Gesellschaft«108), wie die eben nur
ganz kurz skizzierten, wirkten sich bis weit in die fünfziger Jahre hinein negativ auch auf
den Geschäftsgang der Lörracher Druckerei aus.
In diese Periode hinein fällt auch die sich nach und nach vollziehende Loslösung der
Filialen in Steinen, Schönau und Zell vom Lörracher Hauptbetrieb. Wichtigster Grund
hierfür dürfte neben Koordinations- und Kommunikationsproblemen die Tatsache gewesen
sein, daß die Beschaffung von Rohgewebe nun aufgrund der in den dreißiger Jahren
erfolgten Schweizer Neugründungen im Wiesental erheblich leichter geworden war.
Darüber hinaus setzte sich nun auch in der Weberei mehr und mehr die mechanische Betriebsweise
durch, welche den Handwebstuhl allmählich verdrängte. Folgende Zahlen
können diesen Prozeß vielleicht etwas verdeutlichen: 1841 existierten in Schönau und
Zell zusammen 200 ausschließlich von Hand betriebene Webstühle. Hinzu kamen in den
gleichen Orten im Jahre 1852 bereits 100 mechanische Webstühle, deren Zahl sich dann
innerhalb der nächsten zehn Jahre auf 360 erhöhte.109^
Zuerst wird 1849 das Werk in Steinen abgetrennt und an die Firma W. Geigy & Co.
verpachtet; wenige Jahre später geht es ganz in deren Besitz über. Die Bande zu den Werken
in Zell und Schönau bleiben dagegen etwas enger, denn diese gehen 1854 bzw. 1856
an Albert Koechlin, einen Sohn des 1841 verstorbenen Peter Koechlins, über. Diese
Umorgamsation hat sich in der Zukunft als richtig und sinnvoll erwiesen.
Mitte der fünfziger Jahre setzt eine erneute boomartige Entwicklung ein, von der in
besonderem Maße auch die Koechlins profitieren. Verschiedene Chronisten von Firmenfestschriften
schreiben die Erfolge nicht zuletzt dem 1843 als Geschäftsführer eingetretenen
und seit 1849 als Teilhaber fungierenden Leon Baumgartner zu, welcher das
Unternehmen aus der Krise herausgeführt habe. Seine Bedeutung für den weiteren Ausbau
der Firma wird besonders auch dadurch unterstrichen, daß sein Name 1856 in der
neuen Firmenbezeichnung 'Kommanditgesellschaft Koechlin, Baumgartner & Cie.'
auftaucht und auf seine dominierende Stellung im Hause hinweist.
Aufgrund des sprunghaft steigenden Exportanteils werden ab 1864 Niederlassungen
in Paris, Leipzig und anderen europäischen Großstädten eingerichtet. Ebenfalls 1864
wird die mehr und mehr als Konkurrenzunternehmen auftretende Firma 'Dollfuß, Mieg
& Co.' in Rötteln, welche seit 1850 eine Handdruckerei mit immerhin 500 Arbeitern betrieben
hat, erworben, was eine weitere Umsatzsteigerung und auch eine Stärkung auf
den Märkten bedeutet.
Die höchsten Produktionsziffern werden in den Jahren 1863-1865 erreicht. Aber die
weltweite Baumwollnot infolge des nordamerikanischen Bürgerkrieges (1861-1865) läßt
die Produktion 1866 um 38 % sinken. Als Folge dieses Umstandes stellt das Bezirksamt
Lörrach in seinem Jahresbericht von 1867 einen stagnierenden Wohlstand seiner Bevölkerung
fest.1IC) Die Depression ist jedoch nur von kurzer Dauer.
Größere Aufregung gibt es wieder 1870/71 im Zuge des Deutsch-Französischen Krieges
. Das Unternehmen wehrt sich energisch gegen die Annexion Elsaß-Lothringens.
Denn es fürchtet seine starke und leistungsfähige Textilindustrie auf dem deutschen
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