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Befragten ihrer Phantasie ein wenig nachhalfen, indem sie alte Protokolle nachlasen, - so
daß in diesem Prozeß Details verwendet und erfoltert wurden, die dreiundzwanzig Jahre
zurücklagen. - Frau Schacher hat ihre Aussage zurückzunehmen versucht. Sie wußte
zwar, daß sie dem gnadenlosen Mechanismus der Prozeßführung: Verhaftung, Folterung
, Aussage, Verurteilung - bereits ausgeliefert war und erklärte, sie wolle sich unschuldig
verbrennen lassen. Aber man unterzog sie wieder einer Tortur, bis sie aufs neue
gestand und versprach, sie wolle leiden, was ihr die Obrigkeit auferlege. Und die Obrigkeit
waltete ihres grausamen Amtes, so daß sie und ihre Mitangeklagten weiter gestanden
:
»Ist es keine hohe Festnacht, so begeben sich die Hexen von Waldkirch auf den Kastelberg
und jene von Freiburg in das Rotlaub oder auf den Nägelesee.«
Schreiber erklärt die Freiburger Gegend genauer: Der Platz zwischen der einstigen
Schießstätte und dem Gasthaus Zum Schiff war vormals ein Buschwerk mit bewachsenem
Sumpf und also in der Vorstellung höchst geeignet als Haupttummelplatz der Hexen
. Und weiter die junge Ursula Münzer:
»Daselbst führt bei nächtlichen Zusammenkünften die dicke Bärbel... in einem stattlichen
Pelz den Vorsitz, musterte die Kleidung der Angekommenen und hielt auf Ordnung
. Der böse Geist trug solche Zuneigung zu ihr, daß, wenn er auch einer anderen ins
Ohr flüsterte, sie sei ihm die liebste, er doch sogleich beifügte, dann folge die dicke Bäk-
kenn.«
Diese Bäckersfrau Bärbel, die in der Nähe des Bertoldsbrunnens gewohnt hatte und
aus irgend einem Grund die Mißgunst der Angeklagten auf sich gezogen haben muß -
vielleicht des stattlichen Pelzes wegen? -, wurde nämlich in fast allen Protokollen genannt
; über sie selbst aber wurde keines gefunden. Das ist um so verwunderlicher, als sie
ja schwer belastet worden war. Schreiber vermutet, daß sie entweder durch ihren Mann,
einen angesehenen Bürger, geschützt werden konnte, oder daß die Protokolle über sie
verloren gegangen sind.
Die in dem solchermaßen aufgeschlüsselten Sagentext so oft zitierte Agatha Schächer
hatte auf der Folter die achtzigjährige Magdalena Braun aus Betzenhausen angegeben,
die sie auf dem Kandel an ihrem braunen Rock erkannt haben wollte. Wie schon erwähnt
, ließ man nicht zu, daß sie diese Aussage widerriefe; man folterte beide solange,
bis man ein endgültiges Geständnis hatte. Doch sagte Frau Braun verzweifelt, »die Agatha
möchte eine Feindschaft gegen sie tragen, denn sie habe etliche Pfund Garn gehabt
und sie derselben nicht zum Weben gegeben.«
Als »Mitschuldige« hat die von der kleinen Münzer auf einer Ofengabel gesehene
Margaretha Schmidt bei ihrer dritten Tortierung gefleht, Gott möge ein Zeichen an ihr
tun, wenn sie unrecht habe, - sie sei ein Christenmensch!
Nun, Gott hat weder an ihr noch an den anderen Millionen als Hexen Umgekommenen
solch ein Zeichen getan...
Viele Schwarzwaldsagen haben vergleichbare Ursprünge: so die berühmte des »Teufels
von Schiltach«. Im Jahre 1535 »am Osterabend, dem 24. März, sei das Städtlein
Schiltach am Schwarzwald gar ausgebronnen. Der böse Geist habe sich auch dabei gefunden
und im Städtlein mit einer Pauke sich hören lassen. Auch ein Weib, so seine Buhlschaft
gewesen, habe er in die Luft geführt, auf den Schlot gesetzt, ihr einen Hafen in die
Hand gegeben und befohlen, daselbst auszuschütten. Und als sie das getan, sei das Städtlein
in einer Stunde ausgebrannt. Diese Hexe sei nachher zu Oberndorf verbrannt worden
.«
Die bittere Wahrheit findet sich (ins Jahr 1533 verlegt) in der berühmten Familienchronik
der schwäbischen Grafen von Zimmern - eines der fesselndsten menschlichen
und historischen Zeugnisse des sechzehnten Jahrhunderts in deutscher Sprache: Eine
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