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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
43.1981, Heft 2.1981
Seite: 354
(PDF, 36 MB)
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überall fanden Volksversammlungen statt, die von Tausenden von Leuten besucht
wurden. Wir kennen die Besucherzahlen aus den Spitzelberichten der Polizei. In Offenburg
waren es 6000; in Donaueschingen waren es 3000; in Stockach hörten 5000 die
Reden des Redakteurs Fickler und des Dekans Künzer; in Hegne waren es 2000 und in
Säckingen waren es 1000. Nun darf man beileibe nicht glauben, daß alle diese Besucher
aus politischem Interesse gekommen sind, daß sich alle mit den politischen Ideen identifizierten
, die dort propagiert wurden. Diese Volksversammlungen waren eine Art
Volksfest. Man ging dort hin, weil dort eben etwas »los« war. Friedrich Hecker glaubte
jedoch, daß all diese Tausende, die von Mosbach über Heidelberg nach Achern und
Oberkirch bis Meßkirch und Radolfzell ihm und seinen Freunden zujubelten, daß
diese Anhänger der neuen politischen Ideen waren. Dieser Irrtum wnjrde für ihn und
für viele Tausend badischer Bürger zum Verhängnis.

Eine der bemerkenswertesten Versammlungen war die Offenburger Versammlung
vom 12. September 1847. Struve, damals noch einig mit seinen liberalen Freunden,
hielt dabei eine große Rede: Die Fürsten machten seit 32 Jahren Versprechungen. Die
Zeit sei nun gekommen, wo das Volk aufhören müsse zu bitten. Man müsse zur Tat
schreiten. Doch nicht mit roher Gewalt, sondern mit verfassungsmäßigen Mitteln und
mit Steuerverweigerung. Hecker ging mit der Regierung schärfer ins Gericht: »Das
Volk wurde zu einer Maschine des Gehorsams herabgewürdigt.« Er kritisierte den
Polizeistaat und die unzureichende Volksfreiheit und forderte die Selbstregierung des
Volkes: »Der badische Bürger ist seiner politischen Mündigkeit nach berufen, in allem
den anderen Deutschen voranzugehen.« Der kämpferische Hecker schloß seine Rede:
»Nehmt der Regierung die Mittel, dann hört das Regiertwerden von selbst auf.« In
dieser liberalen Großkundgebung wurde auch das Los der arbeitenden Klasse diskutiert
. Schuld an der Verarmung seien Heer, Bürokratie und Geistlichkeit.

Unter großem Jubel wurde die »Magna Charta von Offenburg« beschlossen. Sie
enthielt die Forderungen, die Hecker in seiner parlamentarischen Tätigkeit bisher immer
vertreten hatte.

Hier in Offenburg zeichnete sich der Riß unter den Liberalen ab. Die Gemäßigteren
mit Welcker, Mathy und Bassermann trafen sich darum im Oktober in Heppenheim.

Die Zahl der Volksversammlungen häufte sich. Unter dem Eindruck der Februarrevolution
in Frankreich forderte am 27. Februar eine Versammlung in Mannheim auch
Konsequenzen für Deutschland. Es wurde beschlossen, eine Petition an den Landtag
zu richten. Sie beginnt mit den Worten:

»An allen Orten haben die Völker mit kräftiger Hand die Rechte selbst genommen
, welche ihre Machthaber ihnen vorenthalten. Deutschland darf nicht länger
zusehen, wie es mit Füßen getreten wird. Das deutsche Volk hat ein Recht zu
verlangen Wohlstand, Bildung und Freiheit in allen Klassen der Gesellschaft ohne
Unterschied der Geburt und des Standes.«

Am 1. März eilten Delegationen aus allen Teilen Badens nach Karlsruhe, um diese Forderungen
vorzubringen. Auch hier aus dem Räume Lörrach gingen Liberale mit der
schwarzrotgoldenen Kokarde mit. Hecker machte sich zum Sprecher des Volkes. Er
trug die Petition im Ständesaal vor. Und die Regierung gab dem Druck von unten nach.
Der Großherzog berief ein liberales Ministerium. Es bemühte sich, durch Gesetzesvorlagen
, durch Aufhebungen alter, drückender Verordnungen und durch Erlasse zu zeigen
, daß die Zeit der Willkür und des Polizeistaates beendigt ist. Auch die meisten Abgeordneten
gaben sich mit diesen »Märzerrungenschaften« zufrieden und versuchten, mäßigend
zu wirken, um so eine Revolution zu verhindern. Einen Erfolg hatte damit das
Volk zweifelsohne errungen. Die Arbeit von Hecker und seinen Freunden war nicht
umsonst gewesen.-

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