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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
44.1982, Heft 1.1982
Seite: 63
(PDF, 29 MB)
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Amulett wäre somit schon überraschend. Will man aber statt eines Digamma an das lateinische
F denken und den unteren Fortsatz als Schnörkel des Schreibers erklären1", so befriedigt
dieser Gedanke von daher nicht, als ein einziger lateinischer Buchstabe schlecht
in den ansonsten völlig griechisch gehaltenen Duktus der Schrift paßt. - Der achte Buchstabe
dieser ersten Zeile wird ein spiegelbildlich geschriebenes E sein12'.

Zur Erläuterung des Amuletts

Die Schwierigkeiten, die der Text dem Leser aufgibt, zeigen sich kaum deutlicher als in
der ersten Zeile. Wenn bei den vorliegenden Veröffentlichungen überhaupt eine Lesung
versucht wurde, dann mißlang sie meist gründlich. Die erste Vorlage lieferte im Jahre
1787 der eingangs zitierte Karlsruher Hofdiakon August Gottlieb Preuschen1"1. Seine
amüsant zu lesende, jedoch völlig unbrauchbare Erklärung setzt gleich mit drei schwerwiegenden
Fehlern ein, da er die ersten drei Buchstaben der ersten Zeile als A, D und B
liest und daraufhin seine Interpretation des Amuletts einleitet: Ad Ba Fagel. Ba ist dabei
seiner Meinung nach die Abkürzung des hebräischen Baal, also Herr. Somit standen
nach Preuschen Beginn und Intention des Textes fest: es handle sich, wie eingangs zitiert,
um einen Brief »an den Herrn Fagel«. - Verlassen wir das Reich der Spekulation. Mit der
phantastischen Erklärung Preuschens ging bereits Pfarrer Gmelin - höchstwahrscheinlich
derselbe Mann, der die Ausgrabung der römischen Thermenruine Badenweiler anregte
- ins Gericht14 . Nach einer bemerkenswert sauberen Edition des Textes weist er
Preuschen eine Fülle von Fehlern nach. Seine eigene Erklärung allerdings, von manchen
klugen Ansätzen getragen, ist insgesamt aber auch reichlich spekulativ. - In seiner im
Jahre 1885 vorgelegten, viel beachteten Publikation des Amuletts liest Alfred Wiede-
mann1^ sehr richtig: O Th S, läßt aber dann zwei Buchstaben aus, wonach der Rest der
ersten Zeile richtig geschrieben ist. Eine Erklärung gibt er ausdrücklich nicht161. - Im
Gegensatz zu Wiedemann fügt F. X. Kraus1 1 in der ersten Hälfte der ersten Zeile zwei
Buchstaben ein, nämlich ein F und ein Delta, während er das Sigma als dritten Buchstaben
ausläßt. - Zangemeister läßt in seiner Besprechung des Amuletts innerhalb der lateinischen
Inschriftenwerke1S! die erste Zeile glatt weg, und E. Wagner19" begnügt sich gar
mit einer einfachen fotografischen Abbildung. - W. Schleiermacher, der in der wichtigen
, erst jetzt durch die derzeit laufenden Grabungen überholten Publikation von Hermann
Mylius20 die Kleinfunde bespricht, sieht in dem dritten Buchstaben der ersten Zeile
ein E und liest: o thea ea eae oza21 ; dadurch fehlt ihm für die erste Zeile ein Buchstabe.
- Diese Lesung übernahm jüngst G. Grimm22\

Keine dieser Lesungen trifft zu. Wie bereits ein wenig vorgreifend dargelegt2,ist der
lesbare Beginn des Amuletts als Anrufung Gottes - o theos - zu verstehen. Die weiteren
Zeichen der ersten Zeile deute ich als magische Symbole, denen keine substantielle Bedeutung
zu unterlegen ist. Sie finden sich z. T. als Lallworte, z. T. als nahezu unaussprechliche
Aneinanderreihungen von Konsonanten in vielen der mittlerweile gut zugänglichen
griechischen Zauber- und Fluchpapyri24 . Wahrscheinlich steht letztlich hinter
der magischen Verwendung solcher Zauberworte die Absicht, die angerufenen Götter
und Dämonen möglichst sicher zu bezwingen, sie also dem eigenen Vorhaben, so gut
es nur irgend geht, dienstbar zu machen23 . Ob die so gebannten Dämonen einen ethisch
guten oder verwerflichen Dienst ausüben sollen, ist dabei gleichgültig"6'. Nach antiker
Vorstellung kann man durch die Verwendung dieser Beschwörungs- und Fluchformulare
beispielsweise nicht nur den Sieg eines Rennpferdes erzwingen271, sondern auch eine
entsprungene Frau wieder herbeizaubern28'.

Die ersten vier Buchstaben der zweiten Zeile vermag ich nicht zu deuten. Doch dann
folgt unmißverständlich die viermalige Anrufung des verkürzten hebräischen Gottesnamens
in der Form: Ia29\ Die Wiederholung nützt hier - wie zuvor die sinnlose Buchstabenfolge
- der Intensivierung der Machtgewinnung über den angerufenen Gott30'. Kei-

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