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nem kurzen Überblick über einige herausragende Diskusssionsschwerpunkte der Beratungen
der Landesversammlung wird das besondere Augenmerk auf jene Neuerungen
und Besonderheiten gerichtet, durch welche sich die badische Verfassung gegenüber den
anderen deutschen Landesverfassungen ausgezeichnet hat, wie etwa auf die Bestimmungen
über die Parteien oder auf die Ausführungen zum Recht auf Kriegsdienstverweigerung
. Uber allem aber verfolgt diese Arbeit das Ziel, der Frage nach jenen grundsätzlichen
Wertvorstellungen nachzugehen, welche die Verfassungsberatungen getragen haben
. Bevor diese Frage in Punkt 3 der Arbeit besprochen wird, ist es notwendig, in einem
ersten Hauptteil zunächst den äußeren Gang der Verfassungsentwicklung nachzuzeichnen
.
2.1 Grundzüge der alliierten französischen Nachkriegspolitik
Die französische Deutschlandpolitik ist wohl nur dann richtig zu verstehen, wenn sie
eingebettet wird in das Geflecht eines größeren zeitlichen Zusammenhangs, jenen Zeitraum
nämlich, der allgemein als »Inkubationszeit« des Kalten Krieges angesehen wird,
eine Zeitspanne also, die mit den großen Kriegskonferenzen 1943/44 begonnen hat und
um die Jahreswende 1947 auf 1948 endete, d.h. also jenen Zeitraum, der gekennzeichnet
war durch das Bemühen, »die Länder der kontinentaleuropäischen Region nicht dem
Machtblock der jeweiligen Gegenseite zufallen zu lassen, ohne daß diese Machtblöcke in
Europa schon Realität waren«2.
Die französische Deutschlandpolitik läßt sich, wenn sie bis zum Jahre 1952 gesehen
wird, in drei Phasen einteilen: von General de Gaulle (bis zum 19. Januar 1946) über Georges
Bidault (bis Ende Juni 1948) zu Robert Schuman3. Wenn auch die politischen Ziele
innerhalb dieses Zeitraums im einzelnen unterschiedlich ausgestaltet waren, so läßt sich
doch für die Politik jener Jahre ein gemeinsamer Grundzug ausmachen, der in einem unübersehbar
starken Sicherheitsbedürfnis Frankreichs Deutschland gegenüber bestanden
hat. Gerade in der ersten Nachkriegsphase galt die Forderung nach Sicherheit als »die
Voraussetzung für die Gewährung der politischen Freiheit an das deutsche Volk«4. Es ist
im besonderen auch dieser Zeitraum der unmittelbaren Nachkriegsjahre, für den das
Wort Raymond Jean Guitons zutreffend ist, wonach Frankreich Deutschland gegenüber
»mit der gleichen Unbedingtheit« aufgetreten ist »wie Rom gegen Karthago« . Nach
Meinung Guitons hätte Frankreich so nicht auftreten brauchen; vielmehr hätte es sich
die große Chance zunutze machen können, Initiativen zu »einer großzügigen Neuordnung
des Kontinents« zu entwickeln zu einem Zeitpunkt, »wo die angelsächsische Politik
noch in den Morgenthau-Vorstellungen befangen war«. Frankreich hätte sich eine
moralisch und politisch herausragende Stellung sichern können. »Es entschied sich aber
für die Vergeltung und versuchte noch, sich mit entsprechenden Forderungen durchzusetzen
, als Großbritannien und vor allem die Vereinigten Staaten schon lange beschlossen
hatten, den Wiederaufbau des demokratischen Deutschland zu fördern und es in die
Gemeinschaft der freien Welt aufzunehmen«6.
Von den Siegermächten hat Frankreich am längsten an Vorstellungen von Teilung und
Zerstückelung Deutschlands festgehalten in der Absicht, »die Entmachtung eines politischen
Kraftfeldes durch seine Aufgliederung in einen lockeren Bund deutscher Länder«7
herbeizuführen. Frankreich ist von diesen Vorstellungen erst abgerückt, nachdem es erfahren
hatte, »daß es mit seiner im Jahre 1945 formulierten Deutschlandpolitik im Kreise
der Großmächte isoliert war«8. Diese, »von de Gaulle und Außenminister Bidault während
des Jahres 1945 formulierte Deutschlandpolitik« ist »in ihren wesentlichen Grundzügen
« bis zum Frühjahr 1946 aufrechterhalten worden. Erst im Sommer 1946 ging man
auf französischer Seite von der ehemals so stark geforderten Abtrennung des Rheinlandes
ab. Bidault äußerte, Frankreich würde der Errichtung deutscher Zentralverwaltun-
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