http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1982-02/0014
In Art. 52 fällt auf, daß Baden den Beitritt »zu einer Gemeinschaft der deutschen Länder
sogar an bestimmte Bedingungen« geknüpft hatj7, ein Vorbehalt, den die badische
Verfassung mit der bayerischen Verfassung gemein hatte. Das Bekenntnis zum deutschen
Gesamtstaat war also in der badischen Verfassung schwach ausgeprägt, wohl auch
sicher in vorsichtiger Resonanz auf die Politik der Besatzungsmacht. Die Gründe hierfür
sind offensichtlich. Zum ersten ist die Verfassung zu einer Zeit entworfen worden, in der
in Bezug auf die gebietsmäßige Zukunft Deutschlands -» und das kam immer wieder zum
Ausdruck - vieles offen war. Zweitens lag die oberste und letzte Entscheidungsbefugnis
bei der Militärregierung, was bedeutete, daß die »legislative und exekutive Funktion«
der Regierung zugunsten der Militärregierung eingeschränkt blieb38. Im Hinblick auf die
spätere Neuordnung Deutschlands z.B. hat »die französische Militärregierung in den
Verfassungsentwürfen ihrer Zone Bestimmungen beanstandet, die vorsahen, daß das zukünftige
Reichsrecht dem Landesrecht vorgehe, und die Zugehörigkeit oder den Beitritt
der Länder der französischen Zone zu einem deutschen Gesamtstaat an gewisse föderalistische
Voraussetzungen in dessen Verfassung geknüpft«^9, ein Sachverhalt, der sich für
Baden konkret an Hand des Schreibens der Militärregierung vom 17. März 1947 nachweisen
läßt. In diesem Schreiben hat die Militärregierung mitgeteilt, daß einige Artikel
zu ändern sind, und hat zu Art. 39 ausgeführt: »Dieser Artikel, der den Vorrang des
Reichsrechts über das Landesrecht anerkennt, ist zu streichen...« Art. 39 des Entwurfs
des Justizministeriums lautete: »Zur Zuständigkeit der badischen Landesgesetzgebung
gehören alle Angelegenheiten, über die nicht in einer gemeinsamen Verfassung der deutschen
Länder etwas anderes bestimmt ist« . — Der dritte Grund nun, warum in den einzelnen
Landesverfassungen das Bekenntnis zum späteren deutschen Gesamtstaat so unterschiedlich
ausgefallen ist, liegt darin, daß einzelne Länder in dieser besonderen Situation
der allgemeinen Neugestaltung eine gute Gelegenheit gesehen haben, ganz bewußt
an ihre besonderen eigenstaatlichen Traditionen anzuknüpfen. Gerade auch aus diesem
Grund ist z. B. in der Präambel der badischen Verfassung ausdrücklich betont worden,
daß das Land Baden sich als »Treuhänder der alten badischen Uberlieferung« betrachte,
eine Formulierung übrigens, die auf ausdrücklichen Wunsch Leo Wohlebs in die Präambel
aufgenommen worden ist.
Die willkürliche Zerschneidung des alten Landes Baden in ein Zonen-Zufallsgebilde
hat auf badischer Seite den Widerstand der eigenen Selbstbehauptung hervorgerufen.
Auffallen muß, daß man aber gerade auf badischer Seite anfänglichen Wiedervereinigungsversuchen
eher reserviert gegenüber gestanden ist. Zwar wurde auf Grund der Diskussionen
im Rechtspflegeausschuß der Art. 105 des Regierungsentwurfs gestrichen,
weil er den Eindruck erweckt hatte, man wolle später Nordbaden die neue Verfassung
diktatorisch aufoktroyieren41, doch scheinen die Aussagen zu einer möglichen Wiedervereinigung
, so wie sie Dr. Fecht im Plenum der Landesversammlung geäußert hatte,
eher von vorsichtiger Zurückhaltung als von spürbarer Entschlossenheit in der Sache
selbst getragen gewesen zu sein, ja mehr noch: gerade innerhalb der BCSV reagierte man
sehr heftig auf Versuche, die auch nur andeutungsweise den Gedanken einer Wiedervereinigung
bzw. eines Zusammenschlusses zu einem badisch-württembergischen Gesamtstaat
haben anklingen lassen, besonders dann, wenn solche Vorstellungen von der württembergisch
-badischen Seite aus vorgetragen worden sind. Den anderen Parteien kann
in diesem Punkt eine doch unbefangenere Haltung zugesprochen werden.
Der Wortlauf des Art. 50 Abs. 1 in seiner endgültigen Formulierung: Baden ist »ein
Glied der Gemeinschaft der deutschen Länder« wurde von Friedrich Vortisch (DP) in
der Sitzung des Rechtspflegeausschusses vom 25. März 1947 vorgeschlagen. Er sagte,
mit dieser Formulierung würde allen Eventualitäten einer zukünftigen staatsrechtlichen
Gestaltung der Gemeinschaft Rechnung getragen, ohne daß im einzelnen irgendwelche
Hindernisse für eine gemeinsame Gesetzgebung der späteren Gemeinschaft aufgerichtet
würden.
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