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Parteien sind als legitime politische Organisationen in das Staatsgefüge eingebaut worden
«, sie haben »ihren früheren extra-konstitutionellen Status verloren«63.
Die Notwendigkeit der Verankerung eines solchen Abschnittes in der Verfassung mit
Bestimmungen über die Stellung und die Tätigkeit der Parteien im Verfassungsleben
wurde vor allem von Seiten der BCSV betont: »Dieser Abschnitt ist eben gerade aus den
Lehren der Vergangenheit heraus geboren und eingeführt. Denn wir erinnern uns sehr
wohl an die Zeiten von 1919 bis 1933, in der einige politische Parteien von rechts und von
links einen einzigen Sturm gegen die damalige Republik und gegen die Freiheit der Weimarer
Verfassung gelaufen sind, gegen die Demokraten und ihre Minister. Damals haben
sie sich, zwar divergierend und uneinig in ihren Zielen, immer dann geeinigt, wenn es
darum ging, gegen die Demokratie, die Republik und die Freiheit Sturm zu laufen...«66.
Und daß angesichts der »Parteimüdigkeit, hervorgerufen durch die Vielzahl der Parteien
«, eine Konstanz des politischen Lebens in Weimar nicht mehr gegeben war, für die
Zukunft aber »die unselige politische Zersplitterung« im Volk verhindert werden sollte,
ist von A. Hilbert betont worden: »Jeder einzelnen, auch der kleinsten Gruppe, ist es ermöglicht
worden, durch die allzu freie Gestaltung des Wahlrechts in Baden und des
Reichstagswahlrechts Gruppen zu bilden und ihrer Unzufriedenheit Luft zu machen,
indem sie, selbst wenn es nur 10, 12, oder 30 wahlberechtigte Männer und Frauen waren,
sich zu einer neuen Partei ohne irgendein Programm zusammenschlössen... Wir müssen
unter allen Umständen dafür sorgen, daß nicht morgen eine Partei der Ausgebombten
kommt, übermorgen eine Partei der Kleingärtner und später einmal eine Partei der Unzufriedenen
und vielleicht auch eine Partei der Entnazifizierten...«67. In diesem Zusammenhang
kam dann Dr. Wolfgang Hoffmann (BCSV) auf ein besonders charakteristisches
Beispiel für die Verwirrung im parteipolitischen Leben der Weimarer Zeit zu sprechen
, als er sagte: »Jeder Hergelaufene konnte eine Partei gründen, konnte einen Reichstagswahlvorschlag
einreichen und hatte das Recht, auf dem Wahlvorschlag sich einsetzen
zu lassen. Ich erinnere daran, daß es einmal einen Mann namens Häuser gegeben hat,
daß es eine Häuserpartei gegeben hat, daß die Hausbesitzer dann dieser Partei die Stimme
gegeben haben. Derartige lächerliche Zustände, die unsere Demokratie untergraben
haben, dürfen unter keinen Umständen wiederkehren...«68.
Die Abstimmungen haben schließlich folgendes ergeben: Die für die Bestimmungen
der Parteien entsprechenden Artikel 60-63 in Abschnitt IX des Regierungsentwurfs sind
-Art. 60 bei 14, die Art 61-63 bei 16 Gegenstimmen - mit Mehrheit angenommen worden
. Zuvor war der Antrag der Kommunistischen Fraktion, den ganzen Abschnitt IX zu
streichen, bei 18 Gegenstimmen mit Mehrheit abgelehnt worden69.
3.1.4 Das Recht auf Kriegsdienstverweigerung
In Art. 3 der badischen Verfassung vom 19. Mai 1947 findet sich, ähnlich wie in Art. 4
Abs. 3 GG, das Recht auf Kriegsdienstverweigerung, genauer ausgedrückt: die Bestimmung
, daß kein badischer Staatsbürger »zur Leistung militärischer Dienste gezwungen
werden« darf. In den anderen deutschen Landesverfassungen ist eine solche Bestimmung
nicht enthalten. Ebenso wie die Ausführungen über die Stellung der Parteien im Verfassungsleben
stellt dieser Artikel ein Novum in der neueren deutschen Verfassungsentwicklung
dar. In den Beratungen des Rechtspflegeausschusses war man sich über diesen
Sachverhalt auch durchaus im klaren. So sagte Abg. Josef Schüttler (BCSV) im Rechtspflegeausschuß
am 1. April 1947, daß eben dann »ein Novum eingeführt werden müßte
wie etwa bei der Französischen Revolution das Novum der Menschenrechte«70.
Der Vorschlag zur Aufnahme eines solchen Artikels in die Verfassung ist am 1. April
1947 im Rechtspflegeausschuß von Dr. Wilhelm Hoch (BCSV) unterbreitet worden. Er
wollte »eine Bestimmung eingeführt wissen, daß kein Badener zur Ableistung von Militärdienst
mehr gezwungen werden kann, auch nicht, wenn etwa in 10 oder 20 Jahren eine
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