http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1982-02/0024
Zuallererst war es die gereifte Antwort auf die Erfahrung von »Aushöhlung«, ja »Beseitigung
des christlichen Geistes von 1933 ab«98, welche es den Abgeordneten der BCSV
geraten erscheinen ließ, den Begriff »Simultanschule« näherhin zu präzisieren als
»christliche Gemeinschaftsschule«. Trotzdem hat sich der Verdacht einer etwaigen
späteren Umwandlung der christlichen Gemeinschaftsschule in die Konfessionsschule
weiterhin gehalten; er konnte selbst durch das von Hermann Schneider aus Konstanz
vorgetragene Argument nicht ausgeräumt werden, daß es hierzu eigentlich gar nicht des
Wartens bedürfe, da ja die BCSV, ohnehin in der Mehrheit, diesen Artikel jederzeit
durchdrücken könne: »Trotz der offenen, ehrlichen Erklärung, daß wir, obwohl wir die
Macht hätten, jetzt die Konfessionsschule durchzudrücken, an der bewährten badischen
Simultanschule festhalten, glauben Sie uns das nicht...«99. Hermann Schneider versuchte
, noch einmal glaubhaft zu machen, daß die nähere Bezeichung der »Gemeinschaftsschule
« als eine »christliche Gemeinschaftsschule« keinesfalls »das Hintertürchen sei,
auf dem die Konfessionsschule erstrebt wird; sondern das soll nichts anderes sein als der
Ausdruck, daß auch bisher die badische Simultanschule aus einer grundsätzlichen christlichen
Haltung heraus geführt wurde. Wir haben es ja in den vergangenen zwölf Jahren
erlebt, daß man das Christliche aus dieser Simultanschule entfernt hat... Auch der zweite
Grund für dieses Wörtchen 'christlich' ist wichtig. Wir wissen nicht, was in der Zukunft
kommen wird, und ob wir nicht dann die Notwendigkeit haben werden, daß wir auf diese
Wörtlein 'christliche' Simultanschule Wert legen, und es der Bürge dafür ist, daß wir
hier in dieser Stunde, da wir diese badische Verfassung schaffen, uns einig waren über die
christliche Grundhaltung dieser Simultanschule, denn auch Sie haben es betont, daß Sie
grundsätzlich dem zustimmen. Und noch ein Drittes: Es ist in der heutigen Zeit notwendig
, daß man sich zu dem bekennt, was man denkt, und daß man eine weltanschauliche
Haltung hat... Wir wollen das tun, indem wir sagen, die Institution, die unsere Jugend
erzieht, soll bewußt aus dieser christlichen Grundhaltung heraus aufgebaut sein und der
Jugend dienen«100.
Die Auffassung der KP zur Frage des Art. 86 war eher zurückhaltend und - ähnlich
der Auffassung der demokratischen Partei - von Skepsis an der Glaubwürdigkeit der
Absichten der BCSV getragen. Erwin Ecken sagte, »es sollte an dem bisherigen Zustand
der badischen Schule nichts geändert werden«. Verdächtig sei es, »wenn an Stelle des bisherigen
Ausdrucks 'öffentliche Schule und Simultanschule im überlieferten badischen
Sinn' nun plötzlich die 'christliche Gemeinschaftsschule' als eine Art von Vorstufe zur
Konfessionsschule in Erscheinung« trete101. In der Erklärung der kommunistischen
Fraktion vor der Abstimmung nach der ersten Lesung des Verfassungsentwurfs am 16.
April 1947 sprach Erwin Eckert dann ausdrücklich davon, daß »durch die Forderung
und Festlegung einer 'christlichen Gemeinschaftsschule' die Gefahr einer Konfessionali-
sierung des Schulwesens heraufbeschworen« werde1.
Als Redner der SP äußerte der älteste Abgeordnete der Landesversammlung, Franz
Geiler, seine Verwunderung darüber, daß »ohne einen positiven, sachlichen Grund nun
das Won 'christlich' der Simultanschule« vorausgesetzt werden solle, dies noch, wo
doch bekannt sei, »daß Kinder von Juden und Atheisten die Simultanschule ebenfalls besuchen
«. Und warum würde es denn ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt für notwendig
gehalten, »dem Won Simultanschule das Won 'christlich' voranzusetzen«10"'? Schon zuvor
hatte Friedrich Maier in einer längeren Ausführung den sozialdemokratischen
Standpunkt vorgetragen. Es sei nicht angebracht, die bewährte Schulform zu ändern, gerade
auch deshalb nicht, weil sie sich auch in der Zeit nationalsozialistischer Herrschaft
bewährt habe. Daß die badische Simultanschule »irgendeine besondere Schuld« träfe,
davon könne nicht die Rede sein. Und gerade die Tatsache, daß selbst Konfessionsschulen
nationalsozialistischem Einfluß erlegen sind, spreche doch für sich und sollte der
BCSV Grund genug sein, die beabsichtigten Änderungen zu überdenken. Es gehe um
den Schulfrieden, und dieser sei durch die Absichten der BCSV gefährdet104.
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