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Versammlung an. Sie wurde gewählt von einer Wahlkörperschaft, die gebildet war von
den Mitgliedern der Kreisversammlungen und der Gemeinderäte der Gemeinden mit
mehr als 7000 Einwohnern auf Grund von Wahlvorschlägen der genehmigten politischen
Parteien im Wege der Verhältniswahl. Im Gleichlauf mit der Konstituierung der
beratenden Landesversammlung ersetzte die Militärregierung das Direktorium durch
ein »Staatssekretariat«, in das sie zu Leitern der einzelnen Verwaltungsressorts auch Abgeordnete
aller vier genehmigten politischen Parteien als Staatssekretäre und Leo Woh-
leb als Präsident berief. Verantwortlich war das Staatssekretariat nur der Militärregierung
, nicht der beratenden Landesversammlung, die ja auch keine Gesetzgebungsbefugnis
besaß. »Nach Beratung in der beratenden Landesversammlung« erließ das Staatssekretariat
nun Gesetze und Verordnungen, darunter eine Gemeindeordnung und das
Landtags Wahlgesetz. Die Hauptaufgabe der beratenden Landesversammlung war die
Ausarbeitung einer demokratischen Verfassung, über deren Annahme durch Volksabstimmung
entschieden werden sollte. Die Verfassung bestimmte als gesetzgebendes
Staatsorgan einen vom Volk zu wählenden Landtag, der auch den als Staatspräsidenten
bezeichneten Ministerpräsidenten zu wählen und die von ihm zur Leitung der einzelnen
Verwaltungsressorts vorgeschlagenen Minister durch Erteilung des Vertrauens in ihre
Ämter zu berufen hatte.
Die Volksabstimmung am 18. Mai 1947 ergab eine sehr große Mehrheit für den Verfassungsentwurf
der Beratenden Landesversammlung. Die Verfassung wurde daraufhin
von der Militärregierung genehmigt mit dem Zusatz, daß sie für die Besatzungsmacht
nicht verbindlich sei. Die Militärregierung behielt sich also direkte und indirekte Eingriffe
(letztere durch Druck auf entsprechende Personen) kraft übergeordneter Staatsgewalt
in die Tätigkeit der Verfassungsorgane des Landes vor. Hier ist darauf hinzuweisen,
daß schon im Jahre 1945 die badische Landesverwaltung ein Besatzungsstatut verlangt
hatte; es sollte damit erreicht werden, daß die Zuständigkeiten der von der Landesverwaltung
zu erledigenden Angelegenheiten getrennt würden von den der französischen
Militärregierung vorbehaltenen Angelegenheiten.
Nunmehr erließ der französische Oberbefehlshaber in Deutschland die Verordnung
Nr. 95 vom 9. Juni 1947. Für ihren Inhalt ist nur der französische Text maßgebend, nicht
die im Journal Officiel du Commandement en Chef Francais en Allemagne beigegebene
deutsche Ubersetzung. In Artikel 1 wird bestimmt, daß die »autorites allemandes«, unter
denen alle Landesorgane, auch der Landtag, zu verstehen sind, diejenigen Machtbefugnisse
ausüben, deren Träger sie nach der am 18. Mai 1947 angenommenen Verfassung
sind. Dabei haben sie zu beachten »les regles posees par les textes interallies ou edictees
par le Conseil de Contröle et le Commandement en Chef Francais en Allemagne«. Zu
bemerken ist dazu, daß die genannten Verlautbarungen zu ihrer Rechtsgültigkeit nicht
irgendeiner Form bedurften, insbesondere auch nicht der Veröffentlichung. Zweifelhaft
ist, ob von dem Begriff der »regles edictees par le Commandement en Chef Francais en
Allemagne« auch die Rechtsregelungen in Verlautbarungen der dem Commandant en
Chef untergeordneten zentralen und regionalen Dienststellen, insbesondere also der Militärregierungen
der Länder und diesen untergeordenten Dienststellen, umfaßt sind.
Aber zu den von den Besatzungsmächten in Anspruch genommenen Rechtsregelungen,
soweit sie etwa nicht Gegenstand des Artikels 1 waren, gehörte - und auch für sie galt der
Rechtssatz: Besatzungsrecht bricht Landesrecht. Solche Rechtsregelungen sind durch
die Verordnung vom 9. Juni 1947 für die Staatsorgane des neuen Staates nicht unverbindlich
geworden oder gar außer Kraft getreten; dazu hätte es einer ausdrücklichen Aufhebung
bedurft. Sie gehörten also auf jeden Fall zu dem von den Staatsorganen des Landes
Baden zu beachtenden Besatzungsrecht. Die Machtbefugnisse der Dienststellen der Besatzungsmacht
waren durch die Verordnung vom 9. Juni 1947 auch für die Zukunft in
keiner Weise eingeschränkt. Artikel 2 der Verordnung bestimmt, daß folgende Gebiete
der Gesetzgebungsgewalt der Länder entzogen und dem Commandement en Chef Francais
en Allemagne vorbehalten sind:
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