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Reparationen soll die südbadische Wirtschaft neben den eigentlichen Demontagen ca.
15500 Maschinen im Wert von ca. 62 Mio. RM verloren haben, wozu bis Ende 1947
noch Requisitionen, Entnahmen und Lieferungen von Rohstoffen, Halb- und Fertigwaren
im Wert von 45,3 Mio. RM kamen.l7) Von den 62 von der offiziellen Liste zur Demontage
vorgesehenen Betrieben hatten in ständiger Fühlungnahme mit dem Freiburger
Delegue Superieur Pene bis Mitte 1948 14 Betriebe gerettet werden können, als im Juli
1948 die Demontage weiterer 11 Betriebe anberaumt wurde, während das Schicksal von
26 Betrieben als noch ungewiß bezeichnet wurde. Angesichts der katastrophalen Folgen,
die durch die Eingriffe in die südbadische Uhren-, Werkzeug- und Werkzeugmaschinenindustrie
absehbar erschienen, sah sich die Badische Landesregierung außerstande,
die politische Verantwortung weiterhin zu tragen und trat zurück. Dieser Protest hatte
insofern Erfolg, als die Militärregierung mehreren betroffenen Betrieben das Angebot
unterbreitete, Austauschmaschinen zu stellen. Bei den folgenden Verhandlungen, in deren
Verlauf es wiederholt zu erheblichen Meinungsverschiedenheiten zwischen der
deutschen und französischen Seite kam, zeigten sich auch Differenzen zwischen den wesentlich
konzilianteren französischen Militärbehörden in Freiburg und der Direction des
Reparations in Baden-Baden, die Gouverneur Pene verschiedentlich kompromittierte.
Wenn es in Einzelfällen bei diesen Austauschverfahren auch Härten und Probleme gab,
z.B. bei der Wiederbeschaffung von Maschinen, für welche die französische Seite bis
1949 die sogenannten Schutzbrief e - gegen erneute Demontage - verweigerte (im Gegensatz
zu Rheinland-Pfalz und Württemberg-Hohenzollern), so findet sich bei den südba-
dischen Industriellen doch auch deutlicher Zweckpessimismus. Während sich z.B. die
Uhrenfabrik Kaiser, Villingen, 1949 »de facto« wertmäßig 100 %ig demontiert sah, erklärte
sie 1951 stolz, daß es ihr gelungen sei, ohne jede Unterbrechung und ohne auch
nur einen Mann der Belegschaft entlassen zu müssen, den Betrieb weiterzuführen.28
Blieben auch die Einbußen durch die eigentlichen interalliierten Reparationsdemontagen
wertmäßig mit 23,7 Mio. RM (Anschaffungswert) weit hinter denen der Vorentnahmen
in Höhe von ca. 57 Mio. RM (Anschaffungswert) zurück, so gilt es doch zu beachten
, daß nahezu dieselben Industriezweige, die bereits von den Vorwegentnahmen betroffen
gewesen waren, auch wieder die Hauptlast der Demontage zu tragen hatten.29
Gravierender als der Umfang dieser Verluste war, daß sich lokale und branchenmäßige
Schwerpunkte herauskristallisierten. So waren unter den Industriezweigen insbesondere
der Werkzeug- und Werkzeugmaschinenbau, die Feinmechanik/Optik und die Uhrenindustrie
betroffen. In geographischer Hinsicht konzentrierte sich die Demontage auf
die Hochschwarzwälder Orte St. Georgen, Furtwangen, Vöhrenbach, Eisenbach, Villingen
und ferner auf die Gemeinden Wutöschingen im Wutachtal und Blumberg auf der
Baar, das sogar zum Notstandsgebiet erklärt werden mußte.
Wie schon bei den Entflechtungsmaßnahmen, so haben auch bei den Demontagemaßnahmen
wirtschaftliche Interessen Frankreichs eine Rolle gespielt. Seitens der Militärregierung
ging man mitunter sogar so weit, den von Demontage bedrohten Firmen eine
Verlagerung in andere Zonenbereiche bzw. in das französische Wirtschaftsgebiet anzubieten
. -1u Andererseits traten bei den Demontageverhandlungen ganz offensichtlich
auch nichtfranzösische, mitunter sogar deutsche Konkurrenzinteressen auf den Plan/"
Im einzelnen läßt sich dies für die Schwarzwälder Uhrenindustrie, insbesondere aber für
die südbadische Aluminiumindustrie nachweisen.
Das Ausmaß der industriellen Kapazitätsminderung, die durch die Demontagen und
Reparationsentnahmen hervorgerufen wurde, betrug nach den Berechnungen von Krengel
in den Westzonen bis Juni 1948 5,5% des Bruttoanlagevermögens von l936.,: Für
die französische Zone errechnet Manz für denselben Zeitraum einen entsprechenden
Verlust von 4,3 % bezogen auf 1936.Geht man bei der südbadischen Industrie von einem
Bruttoanlagevermögen von 817,4 Mio. RM im Jahre 1936 und einem reinen Demontageverlust
von 67,6 Mio. RM (Zeitwert) aus, so lag die Kapazitätsminderung in
Südbaden mit 8,3% des Basisvermögens von 1936 nicht unerheblich über dem Durch-
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