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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
44.1982, Heft 2.1982
Seite: 120
(PDF, 41 MB)
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von außen sichtbar werden. Sie dürften manchmal zufällig auftreten, oft sind sie jedoch
auch beabsichtigt. Und gerade das macht das Bild des Personenkreises, der uns begegnet,
so interessant. Es beweist immerhin, daß Engherzigkeit oder Beschränktheit kein Merkmal
der Bildungsgeschichte unserer Landschaft ist.

Unser Gebiet hat jahrhundertelang unsäglich unter der Machtgier fremder Fürsten gelitten
, deren Geschichte auch heute noch von deren ehemaligem Untertantenvolk als
ruhmreich gefeiert wird. Und von denen, die am meisten von ihnen verfolgt wurden, den
Hugenotten, wird sie, so scheint es manchmal, am konsequentesten bejaht. Unser kleines
Land hat in dem hier betrachteten Zeitraum die Geschichte nur auf der passiven Seite
mitgemacht. Das Fehlen der Machtpolitik ist ganz offensichtlich dem Bildungswesen
zugute gekommen. Armut, Zerstörung, Mord und Brand, alle daraus entstehenden Lasten
waren offenbar für viele nur erträglich durch höhere Ziele, geistlicher oder weltlicher
Art, die man anstreben konnte und folglich auch »mußte«. Daß dabei nur in Ausnahmefällen
materieller Erfolg winkte, steht fest. Zweifellos haben dies auch die Zeitgenossen
in früheren Jahrhunderten gewußt, aber der Drang nach Bildung galt dem Wissen
und der Bildung an sich. Die bildungsgeschichtlichen Beispiele dafür sind zahlreich.1
Auch in unserer Gegend sind sie natürlich nachzuweisen.

Aber es wäre ein moderner Irrtum zu glauben, daß dies eben nur wenige Fälle unter
vielen anderen gewesen seien. Das Gegenteil ist der Fall. Die Matrikeln der frühen deutschen
Universitäten liefern dafür den Beweis. Zunächst geben die Matrikeleinträge der
frühesten Zeiten, im 14. und 15. Jahrhdt., oft an, wer die Matrikelgebühr nur teilweise
oder garnicht bezahlen konnte. Das wurde zwar an den verschiedenen Hochschulen
ganz verschieden gehandhabt, hing auch mit deren materiellen Lage zusammen, wurde
also auch mehr oder weniger großzügig gehandhabt: Nach dem Nachweis ausreichender
Kenntnisse in Latein wurde jeder auch ohne Entrichtung der geforderten Gebühr immatrikuliert
, nämlich »propter paupertatem« oder ähnlich ausgedrückt, also »wegen Armut
«. Der Anteil dieser Gruppe, soweit sie wirklich zählbar als solche in Erscheinung
tritt, kann bis 30 % der in einem Semester neu Eingetragenen betragen. Für sie gibt es
noch einen anderen Anhaltspunkt, der u. E. bisher zu wenig in die soziologische Betrachtung
unserer frühen Universitäten einbezogen worden ist. Es ist die Namenkunde.
Die deutschen Familiennamen, die im Laufe des 14. Jh. entstanden und »festgeworden«
sind, beruhen zu einem großen Teil auf Berufsbezeichnungen und beruflichen Ubernamen
."' In den ersten Generationen schon erscheinen solche Berufsnamen — naturgemäß
als Handwerkernamen - aber sehr oft latinisiert auch auf den Universitäten. Diese latinisierten
Formen zeigen zunächst den Genitiv zum Zeichen des Berufs des Vaters, da ja der
Träger selbst, der junge Student, in der Regel noch keinen Beruf hat. Diese Berufe sind
ererbt, einmal weil die Einrichtung einer Werkstatt unerhört teuer war, weil dazu ein eigenes
Haus benötigt war, denn man mußte Gesellen und Lehrlinge selbst unterbringen,
und vor allem weil das Zunftrecht Meistersöhne begünstigt hat. Das heißt also, daß wir
aus den Familiennamen, soweit es Berufs- oder berufliche Ubernamen waren, erkennen
können, aus welchem sozialen Umfeld die jungen Studenten kamen. Wir finden nun in
großen Mengen solche Namen aus allen denkbaren Berufen, aber keineswegs nur aus
»zünftigen« Berufen, die also in Zünften organisiert waren, wir finden sie auch aus Berufen
, die nach damaliger Ansicht »unehrlich« oder verfemt waren. In Basel nannte man sie
damals »Fryheitsknaben«, Leute ohne Zunftrecht. Sie unterstanden auch nicht der städtischen
, sondern einer eigenen Gerichtsbarkeit. Es waren die Sackträger, Fuhrleute,
Brunnen- und Latrinenputzer, die Müllabfuhrleute und ebenso die Scharfrichter. Man
findet an unseren Universitäten gerade in der Frühzeit Namen genug, deren Herkunft
wir in diesem sozialen Milieu zu suchen haben. Im recht engen Kreis der Namen, die im
folgenden genannt werden, kommen solche Namen zwar nicht vor; aber diese kurzen
Ausführungen waren notwendig, um der weitverbreiteten Vorstellung entgegenzutreten
, das Universitätsstudium sei vom späten Mittelalter bis zum Ende des »ancien regime
«, bis zur Französischen Revolution also, privilegierten Schichten vorbehalten gewe-

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