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men. Rudolf Sarasin war 12 Jahre alt, als sein Vater starb. Auch er erlebte bewußt die trüben
Zeiten, die seiner Familie beschieden waren. Mit 24 Jahren trat er in die Firma seines
Bruders ein. Er wurde der Motor für die weiteren Unternehmungen des Hauses, den Erwerb
der Köchlin'schen Fabrik in Sissach und den Fabrikbau in Lörrach. Gleichzeitig
damit wurden an beiden Orten, wie in Basel, Arbeiterwohnungen errichtet.
3.4.2 Die Firmengründung in Lörrach.
Die Niederlassung in Lörrach steht in engem Zusammenhang mit dem Projekt zum
Bau der Wiesentalbahn. Rudolf Sarasin trat deren Gründungskomite bei und gehörte
dann dem Verwaltungsrat an. Der Entschluß, gegenüber dem künftigen Lörracher
Bahnhof zu bauen und das dazu benötigte Gelände zu erwerben, ist durch das Bahnprojekt
in einem sehr frühen Stadium ausgelöst worden.
Die Großherzogliche Staatsgenehmigung dafür ist mit Schreiben der Regierung des
Oberrheinkreises vom 21. Oktober 1857 erteilt worden. Die Detailplanungen sind offenbar
1858 aufgestellt worden. Uber den Kauf des Geländes berichten Grundbucheinträge
ab März 1859. Voranschläge liegen z. T. von Anfang April 1860 vor. Auf jeden Fall
wurde mit den Arbeiten noch in diesem Monat begonnen, die ersten ä conto-Zahlungen
an die Handwerker erfolgten im Mai 1860. Schlußabrechnungen liegen vom März 1861
vor. Es gibt deshalb keinen Grund, an den Angaben von Richard Dietsche zu zweifeln,
daß die Firma im Januar 1861 mit der Produktion begonnen habe. Das erste Fabrikgebäude
war für 100 Bandwebstühle vorgesehen. Zu Beginn liefen jedoch nur deren 70.
1882 sind - nach Höchstetter2^ - alle 100 Stühle in Betrieb.
Auch Rudolf Sarasin wurde (1867) in den Großen Rat gewählt, dem er bis 1899 angehört
hat. Im politischen Leben waren es in erster Linie die sozialpolitischen Probleme,
denen er sich zuwandte. Auf seine Initiative ging ein Gesetzentwurf für die obligatorische
Krankenversicherung zurück, der zwar am 4. 7. 1887 vom Großen Rat angenommen
, dann aber durch ein Referendum der Radikalen und Sozialisten verworfen wurde.
Erfolg hatte er dagegen mit seinem Antrag für ein Arbeiterinnen-Schutzgesetz, das am
23. April 1888 erlassen werden konnte. Er befaßte sich mit der Regelung der Arbeitszeit,
führte Freizeiten und Wöchnerinnen-Schonzeiten ein, regelte Kündigung, Kontrolle
der Arbeitsräume und der Arbeitsordnungen zugunsten derjenigen Arbeiterinnen, die
nicht dem eidgenössischen Fabrikgesetz unterstellt waren.
Neben Beruf und Politik war auch Rudolf Sarasin eines der regsten und einflußreichsten
Mitglieder der GGG, die er 1871 präsidiert hat. Seit 1884 war er als Nachfolger seines
Bruders Carl Vorsitzender der Kommission für Fabrikarbeiterverhältnisse. Auf seine
Anregung errichtete die GGG im Jahr 1878 die Frauenarbeitsschule, die 1894 vom
Basler Staat übernommen werden konnte. Seiner besonderen Förderung verdankt das
ebenfalls von der GGG errichtete Basler Sanatorium für Lungenkranke in Davos seine
Eröffnung am 15.12.1896. In der Handelskammer trat Rudolf Sarasin für die Förderung
der Sonntagsruhe ein.
Unter Rudolf Sarasins Leitung hatte die Firma einen solchen Aufschwung genommen,
daß es für ihn nahe lag, von den Söhnen seines Bruders, die in die Firma eingetreten waren
, unabhängig zu bleiben. Durch den Vertrag vom 25.4.1880 wurde die Firma in zwei
Häuser geteilt, die Teilung auf 1.9. 1882 wirksam. Rudolf Sarasin gab seiner neuen Firma
die Bezeichnung »Rudolf Sarasin & Cie.« mit dem Hauptsitz in Basel und der Niederlassung
in Lörrach, während seine Neffen die alte Firma fortführten. Der Basler Hauptsitz
des neuen Hauses befand sich in der Bäumleingasse im »Haus zum Luft«, das einst dem
Drucker Froben gehört und Erasmus als Wohnung gedient hatte. Die neue Firma wandte
sich vor allem dem gehobenen, reichen Genre der Seidenbandweberei zu.
Auch Rudolf Sarasin wurde ähnlich charakterisiert241 wie sein Bruder Carl, wenn von
ihm gesagt wurde, daß seinem Wesen die Verbindung von Beruf und ausgedehnter öf-
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