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Wer war der Erfinder Wilhelm Haas?
Die alte Buchdruckerstadt Basel muß für viele fähige und tüchtige Handwerker über
lange Zeit hinweg magnetische Anziehungskraft ausgeübt haben. So ist ihr auch im Jahre
1718der Stempelschneider xxndSchnftgießerWühelm Haas (12.10. 1698bisl5. 6. 1764),
der in Nürnberg seinen Beruf erlernte, zugewandert. Er trat in die damals schon lange
bestehende Schriftgießerei von Johann Genath ein. Als Genath 1740 kinderlos starb,
führte Haas den Betrieb erfolgreich weiter. Nach einer langen Sperrzeit, die der Rat für
die Aufnahme neuer Bürger verhängte, wurde Haas 1758 als erster Neubürger der Stadt
Basel aufgenommen, nachdem er vierzig Jahre in ihr ansässig war und als tüchtiger Meister
galt. Das neue Bürgerrecht ermöglichte ihm auch den gleichzeitigen Beitritt zur
Schmiedenzunft, der auch ein Sohn Wilhelm Haas, später Wilhelm Haas der Vater genannt
(23. 8. 1741 bis 8. 6. 1800), wie auch sein Enkel, ebenfalls Wilhelm Haas, zeitlebens
angehörten. Dieser (15. 1. 1766 bis 22. 5. 1838)wurde, da er den gleichen Beruf wie
sein Vater ausübte und auch dessen Geschäft weiterbetrieb, als Wilhelm Haas der Sohn
bezeichnet.
Wilhelm Haas, Vater, war ein Schüler des berühmten Basler Mathematikers Daniel I.
Bernoulli ( 1700 bis 1782), bei dem er neben Physik auch Mathematik hörte. Damit hatte
er eine Schulung genossen, die sich in seinem späteren Wirken immer wieder bemerkbar
machte. Viele seiner Leistungen sind sicher auf den Einfluß des exakten Denkens aus dieser
Schulung zurückzuführen. Mit seiner Erfindung der ersten eisernen Buchdruckerpresse
hatte er nicht eitel Freuden erleben können, denn er mußte harte Auseinandersetzungen
mit den Zünften führen, da er Schriftgießer und nicht Buchdrucker war. Das erleichterte
es ihm, sich frühzeitig vom Geschäft zurückzuziehen. In seinen letzten Lebensjahren
half er als Artillerie-Instruktions-Offizier, die junge Eidgenössische Armee
aufzubauen. Nach einer heftigen, aber nur kurzen Krankheit ist er im Luzernischen St.
Urban (Altes Zisterzienserkloster) gestorben, aber im reformierten nachbarlichen Rogg-
wil beigesetzt worden.
Nach Albert Bruckner hat sich Haas im gleichen Jahr, in dem er die neue Druckerpresse
erfand, noch mit anderen typographischen Problemen erfolgreich beschäftigt. So
verbessere er das bereits 1707 von Pierre Fournier d. J. in Paris geschaffene typometri-
sche System, das darin bestand, für die Kegelstärken der Buchstaben einheitliche Abmessungen
in typographischen Punkten festzulegen. Darauf basierend schuf er auch eine
bedeutende Neuheit für die Satzgestaltung, die darin bestand, daß er eine gewisse Ordnung
in den Schriftsatz brachte, indem er Durchschuß und Linien in sechs verschiedenen
, systematisch geordneten Längen herstellte. Diese ließen sich für alle Satzbreiten
und durch Zusammensetzen untereinander zu verschiedenen Formaten verwenden. Eine
weitere, wirtschaftliche Eigenschaft hatten diese Linien, weil sie auf einer Längsseite
einseitig zugeschärft waren, so daß sie je nachdem, ob nach unten oder oben in den Satz
eingestellt, magere oder fette Linien druckten. Haas faßte seine Neuschöpfung in einer
Schrift, die er unter dem Titel »Erklärung einer neuerfundenen und gemeinnützlicheren
Einrichtung der Stück-Linien und Zwischenspäne mit den dazu gehörigen Tabellen«
herausgab, zusammen. Diese ist 1772 erschienen und wurde auf einem kleineren Modell
der künftigen neuen Presse gedruckt. Sein Sohn verbesserte später das System seines Vaters
etwas und gab 1805 eine weitere »Beschreibung...« heraus, die einem größeren Kreise
zugänglich gemacht wurde, denn Haas, Vater, sandte seine »Beschreibung« nur seinen
Kunden. Es ist versucht worden, die Systematik dieser Linien herauszuschälen,
doch sind die Schwierigkeiten wegen der damaligen Maße und Bezeichnungen noch
nicht überwunden.
Wilhelm Haas muß eine sehr initiative und allen Neuerungen zugängliche Persönlichkeit
mit einem weitgestreuten Freundes- und Bekanntenkreis gewesen sein. So griff er
auf Anregung von A. G. Preuschen, Hofdiakon in Karlsruhe, den Plan auf, künftig
Landkarten auf typographischem Wege herzustellen. Zwar befaßte sich der Drucker Jo-
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