http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1983-01/0133
Haas gelang seine Neuschöpfung allerdings nicht auf Anhieb. Er berichtet selbst, daß
er mit einem kleineren Modell im Stande war, die Erklärungen über die neuerfundenen
Stücklinien und Zwischenspäne abzudrucken: »...und noch in dem nämlichen Jahre«,
schreibt er weiter, »stellte ich eine nach meinem Plane veränderte Buchdruckerpresse im
Grossen auf.« Haas hat erfreulicherweise seiner Schrift über seine neue Presse auch drei
Zeichungen beigegeben, die sich durch besondere Genauigkeit auszeichnen. Dies Verhalten
zeugt einerseits von einer gewissen Offenheit, weil durch die textlichen und zeichnerischen
Unterlagen andere Unternehmungen sich dieser frei bedienen konnten, andererseits
muß sich Haas bewußt gewesen sein, wohl aus den eigenen Schwierigkeiten mit
dem Bau der Presse, daß es nicht leicht sei, sich ohne entsprechende Hilfsmittel, Einrichtungen
und Erfahrungen an den Bau von eisernen Pressen zu wagen.
Die Haas'sehe Presse
Wilhelm Haas, Vater, gab sich mit der Beschreibung seiner neuen Presse nicht zufrieden
. Er versah seine Schrift mit drei präzisen Zeichnungen. Es sind leicht kolorierte
Kupferstiche, deren erster die Maschine in perspektivischer Darstellung zeigt und auch
erkennen läßt, welch geringen Raum sie beansprucht (Bild 1). In Fig. I der zweiten Tafel
(Bild 2) findet sich der Aufriß, aus dem auch leicht die ganze Funktionsweise der Presse
erkennbar ist. Uber dem Steinsockel, dem breiten hölzernen Fuß und einer Säule liegt
der schwere Rost. Auf diesem kann der Karren hin- und herbewegt werden. Am linken
Ende ist der Farbkasten angeordnet, während das rechte die Stütze für den Papierrahmen
trägt. Uber den Rost wölbt sich der Preßbogen mit dem Spindelmechanismus, der seinerseits
mittels Balancier und Schwunggewichten betätigt wird. In Fig. II ist im Grundriß
der Rost gezeigt, der aus drei parallelen Balken besteht und an den Stirnseiten mit
Querverbindungen zu einem festen Rahmen gefügt ist. Außerdem sind die Umrisse des
Steinsockels wie auch die Laufschienen zu sehen. Zwischen den drei Längsbalken ist die
Transporteinrichtung für den Karren angeordnet und wiederum die Rahmenstütze. In
Fig. III (Bild 3) sind in einer sauberen Darstellung alle wichtigen Details gezeichnet. Diese
sind so genau gezeichnet und wiedergegeben, daß aus ihnen verläßlich die Steigung der
Spindel abgelesen werden kann. Die Darstellungsweise der einzelnen Teile kommt dem
heute im Maschinenbau üblichen Projektionsverfahren sehr nahe. Für die damalige Zeit
muß diese Art ebenfalls eine Neuerung bedeutet haben, denn nicht umsonst wurde sie in
ein modernes Fachbuch3 aufgenommen und in ihrer Sorgfalt und Präzision hervorgehoben
.
Bei den Vorarbeiten für den Nachbau der Presse habe ich versucht, dem Erbauer gewissermaßen
über die Schultern zu schauen. Nach mehr als zweihundert Jahren dürfte
dies kaum mehr als Werkspionage gelten, aber diese »Indiskretion« hat doch einige interessante
Zusammenhänge erkennen lassen. Sehr bald ist mir aufgefallen, daß die lichte
Weite des Preßbogens gleich dessen Höhe ist, ein Verhältnis, das nicht zufällig sein
konnte. Die Konstruktion und die Dimensionen dieses wichtigen Teiles wurden also aus
einem Quadrat entwickelt. Ganz ähnlich verhält es sich beim Sockel, der in seinem inneren
Kubus einen Würfel darstellt. In beiden Fällen kam aber die reine Geometrie zur Anwendung
(Bilder 4 und 5).
Für die Führung des Karrens, in dem sich eine schwere gußeiserne Platte (Fundament)
befindet, ersann Haas ebenfalls eine geniale Lösung. Die drei parallelen Führungsschienen
sind auf den Oberseiten in ihren ganzen Längen halbkreisförmig ausgenommen. In
diesen Bahnen gleiten die in der Fundamentplatte eingelassenen Kupferleisten. Zur Verringerung
der Reibung, die ohnehin zwischen Eisen und Kupfer nur gering ist, sind die
Leisten auf eine schmale Basis zugespitzt. Hinzu kommt, daß in die Länge der Kupferleisten
fünf Unterbrechungen eingeschnitten sind, wodurch sich die restliche Reibung
nochmals um etwa die Hälfte reduziert, sie laufen also lediglich auf sechs Stollen (Bild 6).
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