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ander abweichen, es konnte die Ausstattung, gemessen an der Norm, mehr oder weniger
vollständig sein. An der Rang und Stand kennzeichnenden Einheitlichkeit ist aber nicht
zu zweifeln. Das erlaubt uns, versuchsweise für das Lörracher Frauengrab eine Ausstattung
zu rekonstruieren, die bei den Trachtbestandteilen weitgehend gesichert erscheint
und eine Vorstellung vom ursprünglichen Erscheinungsbild erlaubt.
Dabei erst wird deutlich, wie wenig eigentlich von diesem Inventar aufgefunden wurde
(Abb. 2), wie schwierig und letztlich auch unbefriedigend die soziale und geschichtliche
Beurteilung allein nach den vorhandenen Stücken sein muß. Ursprünglich jedenfalls
trug die in ihrem Festgewand bestattete Frau zwei silberne Ohrringe (b), einen großen,
massiv silbernen Halsring (c), eine silberne Haarnadel mit Vogelkopfende (e) und zwei
kleine, ebenfalls silberne Fibeln (Gewandschließen) in Vogel- oder Pferdchenform (a).
Teilweise waren diese Schmuckstücke vergoldet, mit roten Halbedelsteinen und schwarzem
Niello (Schwefelsilber) verziert. Zum Verschluß eines Wickelrocks (?) dienten zwei
große silberne Bügelfibeln (f-g), ebenfalls teilweise vergoldet und mit Steinen besetzt.
Der Fingerring (d), vermutlich links getragen, besteht aus purem Gold mit roten Alman-
dineinlagen. Eine Art Standesabzeichen können wir in dem massiven silbernen Armring
(h) sehen, der ganz stereotyp in Gräbern dieses Niveaus auftaucht und für den es in königlichen
Gräbern dieser Zeit goldene Vorbilder gibt. Schnalle und »Gürtelgehänge«,
ein herabhängendes Band mit Silbermünzen, Glas- und Bernsteinperlen, verschiedenen
Amuletten (unter anderem Gehäuse mediterraner Schnecken) und Taschenring (k) vervollständigen
das Bild der modischen Accessoirs. An diesem über knöchellangem Rock
getragenen »Gehänge« waren außerdem die obligaten Gerätschaften der »Hausfrau« befestigt
, natürlich auch diese in entsprechend kostbarer Ausführung. So besteht das Eßbesteck
, ein Löffel mit spitzem »Gabelende«, aus Silber (o), der Spinnwirtel meist aus
mehrkantig geschliffenem Bergkristall (p). Selbst Messer, Schere und Kamm (1, m, n) heben
sich im allgemeinen durch qualitätvolle Verarbeitung vom Durchschnitt ab. Die
Schuhe schließlich, die sich in Form und Zuschnitt sowenig wie die Kleidung selbst sicher
beurteilen lassen, waren mit silberbeschlagenen Riemen geschlossen (i).
Nicht mit gleicher Sicherheit läßt sich für Lörrach die Beigabe von Glasbecher oder
Schale (r), Tongefäß (p) und vor allem Bronzeschüssel (q) feststellen. Gerade die Beigabe
von Metallgeschirr kann als Adelskriterium gelten, und ein solches wertvolles Stück in
der ursprünglichen Grabausstattung zu vermuten, hat damit seine Konsequenzen. Allerdings
stellt schon der Besitz des goldenen Rings mit Almandineinlagen völlig klar, daß
wir uns hier in sehr hohem sozialen Milieu befinden, so daß eine entsprechend reichhaltige
Gefäßausstattung jedenfalls allergrößte Wahrscheinlichkeit hat. Daß Schlüsse dieser
Art natürlich nie ohne Risiko sind, zeigt das Beispiel des Frauengrabes 126 von Kleinhüningen
(Abb. 3), in dem überhaupt keine Gefäße mitgegeben worden sind.
Für die sozialgeschichtliche Einstufung eines Grabfundes ist neben Menge und Qualität
der Beigaben auch die Herkunft einzelner Stücke von Bedeutung. Seit den ersten
Kontakten zwischen der germanischen und der römisch-mediterranen Welt unterscheidet
sich die germanische Oberschicht von der einfachen Bevölkerung durch den Besitz
und Gebrauch importierter Luxusgüter, die regelmäßig auch zur Ausstattung der Verstorbenen
dienten. Dazu gehören in erster Linie Weinservices aus Bronze, gläserne
Trinkgefäße, Eßgeschirr aus Silber und Bronze, schließlich die zugehörigen Bestecke
meist in Form bronzener oder silberner Löffel. Auch für die Merowingerzeit gilt diese
Regel, ob wir es nun mit Franken, Alamannen, Thüringern oder anderen germanischen
Völkerschaften zu tun haben. Der Besitz kostbarer und möglichst »einmaliger« Gegenstände
kennzeichnet Leute von »Stand«, je weiter hergeholt, läßt sich vermuten, desto
eindeutiger und wirkungsvoller. Schmuckstücke, Waffen, Zaumzeug, Gläser oder
Bronzegefäße konnten als Handelsware, als Beute oder auch als Geschenk (Heiratsgut)
aus verschiedenen Ländern zu den Alamannen gelangen. In jedem Fall zeichneten sie ihren
Eigentümer in besonderer Weise aus, hoben ihn vom Durchschnitt ab, in seiner Lebensführung
wie in seiner äußeren Erscheinung, auch nach dem Tod.
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