http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1983-01/0175
Der Herkunftsort wird auf der Innenseite (Abb. 2) nochmals heraldisch durch den
quergeteilten (schwarzweißen) Wappenschild der Reichsstadt Ulm und einer darüberstehenden
Jahreszahl 1518 bezeugt, die hier eine besondere Bedeutung hat, auf die noch
einzugehen ist.
Uber der unteren schwach erkennbaren Rundung des Schildes ist ein dritter Stempel
eingeprägt, der, ebenfalls auf dem Kopf stehend, deutlich sichtbar ist. Hier handelt es
sich um eine ovale, barocke, zierliche Fassung mit Perlenrand, wohl um eine Eigentumsmarke
des Besitzers der Ware, des Kaufmanns. Auf einem einfachen großen W steht eine
Art Hausmarke in Form einer umgekehrten Vier, die auf dem durchgehenden waagrechten
Balken links einen kleinen senkrechten Strich aufweist, der ähnlich einer Wolfsangel
gebildet ist. - A. Rieber bestätigt mir die Geschäftsmarke einer Ulmer Kaufmannsfami-
lie, deren Firmenzeichen durch Zusätze (Striche) in Generationen erweitert wurde. Der
Träger wäre im 17. oder 18. Jh. zu suchen.
Derartige Zeichen finden sich auch in mancher Helmzier und manchem Schild, z. B.
auch in Siebmachers Wappenwerk. Leider ist der Besitzer dieser Marke weder dem Ulmer
Stadtarchiv noch dem Ulmer Museum bekannt. Letzteres erhielt von Herrn Rott
das Fundstück als Leihgabe. Es ist bis jetzt das einzige bekannte, gut erhaltene Exemplar
neben einer stempelgleichen Plombe, die 1951 in Biesendorf/Hegau beim Umbau eines
Hauses zum Vorschein kam. Bei ihr ist der Gegenstempel weniger gut zu erkennen.
Alle drei Stempelungen haben natürlich ihre besondere Bedeutung. Zu ihrer Erklärung
und zu ihrem historischen Umfeld muß hier etwas auf den alten Ulmer Warenhandel
und seine Ordnungen eingegangen werden. Leider fehlt nach Mitteilung des Stadtarchivs
eine umfassende Studie über Speditionswesen und Versand von Ulmer Waren.
Doch läßt sich aus Carl Jägers umfangreicher, heute selten gewordener Arbeit, »Schwäbisches
Städtewesen des Mittelalters-Ulm-Bd.l, 774 S, Stuttgart, Heilbronn 1831, einiges
für uns Wichtige erklären. Seine umfassende Kenntnis fußt auf zahlreichen handschriftlichen
Quellen und Urkunden. Das Buch stellte mir freundlicher Weise Dr. Walter
Fauler zur Verfügung; ihm meinen besonderen Dank.
Der Wortstempel auf der Außenseite der Plombe könnte mit dem Ulmer Torzoll zu
tun haben. Denn alle Ware, die herein oder heraus geführt wurde, mußte mit 4 Heller für
einen Wagen und mit zwei Heller für eine Karre verzollt werden (Jäger-Zeit nach 1514,
S. 370).
Bei dem Ulmer Wappenstempel auf der Innenseite der Plombe handelt es sich um den
Beschaustempel der Barchentweber. Barchent - ein arabisches Wort - war ein flanellartiges
Baumwollgewebe in Köperbindung, wobei sich zwei Fäden immer rechtwinklig
kreuzen.
Schon in früher Zeit, im 12. Jahrhundert, kam die Haupteinnahmequelle Ulms aus
dem Erlös der Leinen- und Tuchweberei und dem damit verbundenen Handel vor allem
mit Leinen, Tuchen, Gölsch (weißblau gewürfelt) und später mit dem besonders begehrten
Barchent (J 634). Die ärmeren Schichten der Stadt lebten damals fast ausschließlich
von der Spinnerei. Die älteste erhaltene Weberordnung stammt leider erst vom Jahre
1403. Wegen der Konkurrenz mit anderen Weberstädten, vor allem mit Augsburg, hatte
die Ulmer Barchentschau außerordentlich strenge Schaugesetze und dadurch einen sehr
guten Ruf und großes Ansehen. Sogar auswärtige Weber benutzten die Schau, um bessere
Preise zu erzielen. Dazu bedurfte es aber des Schauzeichens (J 638). Die Nachfrage
nach dem qualitätsvollen Ulmer Barchent stieg mit der Zeit immer mehr. Deshalb sah
sich der Rat gezwungen, 1403 die Produktion zu erhöhen, indem er allen fremden Webern
und Weberinnen,die nicht Ulmer Bürger waren, erlaubte, eine halbe Meile außerhalb
der Stadt ihr Handwerk zu betreiben und das Gewirkte der Stadtschau vorzulegen.
Der Qualität wegen wurde gefordert: daß kein fremder Weber ein Barchenttuch an die
Schau lege, das nicht aus Baumwolle verfertigt sei, die zuvor ebenfalls in der Stadt geschaut
und von den Schauern für echt erklärt worden sei (J 638). Auf diese Ordnung
mußten die Weber, die die Barchentschau benutzten, einen Eid schwören. Schon 1429
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