http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1983-02/0016
Ein Kenner des Freikorpswesens, H. W. Koch, stellte fest:
»Die Freikorps und ihre Mitglieder mit dem Nationalsozialismus in eins zu setzen
, ist ebenso falsch, wie das der Fall wäre, wenn man mit den Arbeiter- und
Soldatenräten in Bezug auf den Bolschewismus gleichfalls so verführe.«
Universitäten ließen Semester ausfallen, um den Studenten den Eintritt in die Freikorps
zu erleichtern.
Der Preußische Minister für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung erließ sogar am
13. März 1919 einen »Aufruf an die akademische Jugend«. Darin hieß es:
»Noch einmal heißt es: Freiwillige vor!
Die deutsche Wehrmacht liegt in Trümmern, die Flut des Bolschewismus droht
unseren Grenzwall im Osten zu durchbrechen, die Hydra der Anarchie und des
Bürgerkriegs erhebt im Innern ihr Haupt. Rette Dein Vaterland, deutsche Jugend
!«
Diesem Aufruf folgten viele - ohne Reaktionäre zu sein.
Eine objektive Betrachtung der Geschichte muß auch diesen Umstand beachten.
Die Kämpfe im Baltikum
Ende 1917 und 1918 proklamierten sich nach dem Zusammenbruch des Zarenreichs
und der Russischen Revolution die baltischen Staaten als unabhängige Republiken.
Gegen diese Staaten marschierte die Rote Armee der Bolschewiki vor und versuchte, sie
unter sowjetische Herrschaft zu bringen.
Gegen diese Bedrohung wurden deutsche Freiwillige gesucht, die die Deutsche Legion
bildeten. Das in und um Freiburg aufgestellte Freikorps von Medem war einer dieser
Verbände, dem sich der Freiburger Student Albert Leo Schlageter anschloß und das
das Regiment Baden umfaßte.
Für den Einsatz gegen die bolschewistische Gefahr wurde den Freikorpskämpfern
Siedlungsraum zugesagt und dies durch einen Vertrag zwischen der deutschen Regierung
und der Provisorischen Lettländischen Regierung bekräftigt.
Albert Leo Schlageter hatte einen Anrechtschein auf 100 Morgen Siedlungsland und
die Zusage des lettischen Bürgerrechts.
Das Regiment Baden zeichnete sich besonders in den Kämpfen an der Düna aus.
Schlageters Batterie war wesentlich bei der Erstürmung Rigas im Mai 1919 und bei der
Befreiung der Geiseln in der Zitadelle beteiligt.
Als die Alliierten die deutsche Regierung drängte, ihre Truppen aus dem Baltikum zurückzuziehen
, weigerten sich diese. Schlageter schreibt am 21. Oktober 1919 an seine Eltern
:
»Wir werden Kurland nicht verlassen, wenn auch der Engländer noch so drängelt
. Denn es gilt wirklich ein Land zu befreien von den ärgsten Greueltaten. Daß
wir hier plündern und räubern ist alles von Grund auf erlogen. Bei uns wird der
kleinste Diebstahl viel, viel strenger bestraft wie früher. Wir haben eine sehr gute
Disziplin. Sobald es anders würde, ginge ich sofort weg. Ängstigt Euch deswegen
nicht.«
Schlageter erkannte die schwierige Situation der deutschen Regierung: Er schreibt im
gleichen Brief:
»Die Regierung ist einerseits zu schlapp und andererseits durch den Friedensvertrag
gebunden, um offiziell Schritte für uns zu tun. Heimlich tut sie es und
wünscht auch, daß wir hierbleiben.« (33)
Nur durch massiven Einsatz der Regierung und nach der Sperrung des Schiffsverkehrs
in der Ostsee durch die Entente wurden die Baltikum-Kämpfer gezwungen, Kurland zu
verlassen. Sie fühlten sich nun von der Regierung im Stich gelassen und betrogen, zumal
diese bei der Unterzeichnung des Versailler Vertrags auch der Annullierung aller von
Deutschen im Baltikum etwa erworbener Rechte zustimmte (34).
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