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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
45.1983, Heft 2.1983
Seite: 17
(PDF, 39 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1983-02/0019
sehen Lage, daß sich Männer mit der Reitpeitsche ins Gesicht schlagen, mit dem
Kolben den Schädel zertrümmern, Frauen sich vergewaltigen lassen müssen, ohne
sich zu wehren? Haben wir ein Recht, das von irgend einem Lebenden zu fordern
? Dürfen wir es, wenn wir daran denken, daß das kostbare Menschengut, die
menschliche Selbstachtung, unter solcher Passivität zerbrechen muß.
Da wir wissen, daß zur Zeit ein anderer Widerstand noch größeres Unglück bedeuten
würde, so bleibt uns, die wir noch nicht ausgepeitscht wurden, nichts andere
übrig, als unsere Brüder und Schwestern an Rhein und an Ruhr zu bitten,
anzuflehen: Wartet, duldet, bis die Stunde der Erlösung und der Freiheit schlägt!
Wer es aber nicht mehr tatenlos zu ertragen vermag, soll von uns beweint, oder
gepriesen werden, je nach seinem Geschick.« (44)
Nach dem Essener Blutbad mit 13 Toten und 57 Verletzten schrieb diese Zeitung:
»Wird die Welt auch diese Zahlen hinnehmen, ohne sich aus ihrer Ruhe bringen
zu lassen? Darf Herr Poincare, um seine Pfänder »produktiv« zu machen, unschuldige
deutsche Menschen ohne Richter und ohne Sühne durch seine Schergen
hinmorden lassen, ohne daß das Weltgewissen sich endlich gegen diese Verbrechen
auflehnt?« (45)
Spontan wurde in ganz Deutschland für die Menschen an der Ruhr ein »Deutsches
Volksopfer« geschaffen. Pfarrer und Bürgermeister organisierten diese Aktion. Aufrufe
erschienen in den Organen aller Richtungen. Firmen, Vereine und Privatleute spendeten
dazu. Das ganze Volk wollte helfen. Ein paar Beispiele: Der Radfahrerverein Minsein
sammelte 56.500 Mark. Die Firma Großmann in Brombach spendete 97.000 Mark und
das Baugeschäft Ehret in Brombach gab 10.000 Mark.
Aus einem Presseaufruf zu diesem Volksopfer:

»Rhein und Ruhr sind in Feindes Hand! Ein Volkskampf wie seinesgleichen die
Weltgeschichte noch nie ersah, durchtobt unseres Reiches Westmark.
Zehntausende deutsche Männer, Frauen und Kinder werden von Haus und Eigen
hinweg ins Elend getrieben - Millionen fleißiger Arme müssen feiern, weil
der Feind die Arbeit lahmlegt. Tanks und schwere Artillerie bedrohen, Reitpeitsche
, Kriegsgerichtsurteil, Ausweisungsdekret und Maschinengewehrkugel
mißhandeln, kerkern, morden friedliche, wehrlose deutsche Menschen:
Es ist Dein Kampf, den die Brüder im Westen kämpfen - wenn sie ermatten und
ermüden, ist's dein Untergang - deine Rettung, wenn an ihrem Trotze des Feindes
Macht zerschellt!«

Darum hilf den Brüdern und Schwestern an Rhein und Ruhr!
Laß sie fühlen, daß sie zu uns gehören - wir zu ihnen — jetzt erst recht!
Nicht locker lassen! Nicht lau werden! Helfen!« (46)
Man muß diese Situation von 1923 kennen, um das Handeln Schlageters und seiner
Freunde zu verstehen. Sie wollten helfen. Doch ihnen war der passive Widerstand zu
wenig. Sie wollten mehr tun, mehr erreichen. Sie wollten aktiven Widerstand leisten.

Die französischen Besatzer waren darauf vorbereitet. Bereits am 26. 2. 1923 erließen
sie eine Verordnung, wonach mit dem Tode bestraft wird:

»Wer durch vorsätzliches Handeln oder Nichthandeln einen Eisenbahntransport
gefährdet, wenn diese Handlungen einen Unfall mit tödlichem Ausgang verursacht
haben oder wenn sie ihn hätten verursachen können.«
Dieselbe Strafe erhält auch nach einem Erlaß vom 7. März 1923,

»wer einen Anschlag oder eine Verschwörung angestiftet hat, wer mit Agenten
oder mit öffentlichen oder geheimen Organisationen zusammenarbeitet, mit der
Absicht, Feindseligkeiten gegen die Besatzungstruppen hervorzurufen.« (47)
Schlageter und seine Freunde wußten, was sie taten, und sie wußten, was sie erwartete
.

Sie waren Patrioten, waren jung. Hitler war um diese Zeit eine lokale, eine bayrische
Erscheinung, keine deutsche (48).

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