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Ziel des passiven Widerstandes war es, die Kohlentransporte nach Frankreich zu verhindern
. Die Arbeiter sabotierten die Gruben- und Verladearbeit. Die Bahnbeamten
blockierten die Eisenbahnstrecken. Wirkungsvoller war jedoch eine Brückensprengung,
also aktiver Widerstand.
Die alten Freikorpskämpfer aus dem Baltikum und aus Oberschlesien eilten ins Ruhrgebiet
. Sie bildeten Störtrupps und Sabotagegruppen. Schlageter war mit dabei.
Diese aktiven Gruppen versuchten die wichtigsten Verkehrsverbindungen nach
Frankreich lahmzulegen. Am Rhein-Herne-Kanal wurde ein Aquädukt gesprengt. Der
Dortmund-Ems-Kanal wurde durch die Versenkung eines Schiffes unpassierbar gemacht
. Albert Leo Schlageter sprengte am 15. März 1923 die Eisenbahnlinie über den
Haarbach bei Kalkum, heute einem Vorort von Düsseldorf. Dabei wurde niemand verletzt
. Es war lediglich kurzfristig eine Eisenbahnlinie zerstört, auf der die Besatzungstruppen
beschlagnahmte Ruhrkohle nach Frankreich oder Belgien transportieren wollten
.
Schlageter im Rampenlicht
Diese Detonation an der Brücke bei Kalkum rückte den bis dahin unbekannten Albert
Leo Schlageter ins Rampenlicht.
Der Bürgermeister der Gemeinde Kaiserswerth, Dr. Rißdorf, erließ unter Druck der
Franzosen, die drei Landwirte als Geiseln verhaftet hatten, eine Bekanntmachung. Darin
hieß es:
»Durch eine Sprengung wurden die beiden Eisenbahngeleise aus ihrer Lage gerissen
und die über den Haarbach führende Brücke beschädigt. Es bedarf keines
Hinweises, daß ein solches Verbrechen von jedem rechtlich denkenden Menschen
auf das Schärfste verurteilt werden muß . . . Die Bürgerschaft wird aufgefordert
, an der Aufklärung des Verbrechens mitzuarbeiten . . . Diejenigen, welche
glauben, durch Verbrechen, wie überhaupt durch Handlungen, welche den
deutschen Gesetzen zuwiderlaufen, dem Vaterland zu dienen, handeln in vollständiger
Verkennung der Sach- und Rechtslage sowie der Auswirkung ihrer Tat.
Unschuldige Bürger müssen für solche Unbesonnenheiten büßen.« (49)
Die Gemeinde führte Voruntersuchungen durch, wobei der Förster Kunz »die dem
Tatort zunächst wohnenden Bürger eingehend befragt und demjenigen, der bestimmte
Angaben machen könne, eine Belohnung in Form von einer Fuhre Holz versprochen«
hat (50).
Die weiteren Ermittlungen führte der Polizei-Betriebsassistent Thiel. Im Untersuchungsbericht
schrieb der Bürgermeister, daß »unter Umständen das Motiv vaterländischer
Gesinnung entsprungen sein mag«.
Auf Grund dieser Ermittlungen erschien im »Deutschen Fahndungsblatt« am 12.
April 1923 ein Steckbrief:
»Als Täter kommen wahrscheinlich zwei junge Leute, die wie folgt beschrieben
werden, in Frage. Familienname mutmaßlich Fr. von Krampe oder von Krause
und Albert Leo Schlagstein oder Schapeten, der eine 20 bis 25 Jahre alt, 1,60 m
groß schlank, dunkelblond, ohne Bart, volles Gesicht, Gang und Haltung aufrecht
, spricht auswärtige Mundart (kein Rheinländer) bekleidet mit schwarzen
Schnürschuhen, braunen Sportstrümpfen, grauem Fischhautmantel mit Gürtel
und heller Sportmütze; der andere 20 bis 25 Jahre alt, 1,80 m groß, schwächlich,
blond, ohne Bart, längliches Gesicht, Gang und Haltung aufrecht, Rheinländer,
trug Kneifer, Kleidung schwarze Schnürschuhe, grauer Regenmantel und heller
Schnitthut. Infolge des Attentats sind angesehene Bürger als Geiseln durch die
Besatzungsbehörde ins Gefängnis gebracht worden und sollen erst bei Ermittlung
der Täter in Freiheit gesetzt werden.*« (51)
ls
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