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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
45.1983, Heft 2.1983
Seite: 37
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Zur allgemeinen Orientierung seien hier zuvor die wichtigeren Daten und Ereignisse
zusammengestellt2':: Mit der Begründung, rückständige deutsche Reparationszahlungen
erzwingen zu wollen, gewiß aber auch unter dem Gesichtspunkt erweiterter militärischer
Sicherheit, besetzten im Januar 1923 französische und belgische Truppen das Ruhrgebiet.
Die deutsche Reichsregierung stellte die Zahlungen ein und rief die Bevölkerung im gesamten
besetzten links- und rechtsrheinischen Gebiet zum sogenannten »passiven Widerstand
« gegen die Anordnungen der Besatzung auf, wobei namentlich die Beamten zum
Boykott und unter diesen wieder die Eisenbahner aufgefordert wurden, Ladungen nach
Frankreich und Belgien nicht mehr zu transportieren. Der Aufruf wurde allenthalben befolgt
. Die Trierer Behördenleiter z. B. erklärten, daß sie als deutsche und preußische Beamte
sich durch Eid, Ehre und Gewissen verpflichtet hielten, »nur den Anordnungen der
Reichs- und Landesregierung Folge zu leisten*, die Eisenbahner traten praktisch in
Streik. Die französische Besatzung antwortete mit der Ausweisung der Dienstverweigerer
und ihrer Familien - und das waren viele hundert Familien - in das unbesetzte
Deutschland. Den Eisenbahnbetrieb versuchte sie mit Hilfe französischer Eisenbahner,
des Militärs und einiger kollaborierender deutscher Eisenbahner aufrecht zu halten und
übertrug die Verwaltung der rheinischen Eisenbahnen einer französisch-belgischen »Eisenbahn
-Regie«. Es war selbstverständlich, daß die deutsche Bevölkerung diese »Regiebahn
« nicht benutzte, sondern, wenn es notwendig war, andere Transportmittel in Gebrauch
nahm und notfalls zu Fuß ging (und mir wurde noch in den 50er fahren als Beweis
besonderer Charakterlosigkeit gesagt, daß Herr X seinerzeit mit der Regiebahn gefahren
sei).

In Trier war es nach der ersten großen Ausweisung, zu der u. a. Regierungspräsident
Dr. Sassen, Oberbürgermeister von Bruchhausen, Landrat Pohl, Finanzamtsdirektor
von Bertrab und weitere Behördenchefs gehörten, am 25. Januar 1923 zu einer großen,
spontanen Sympathie- und Protestkundgebung der Bevölkerung gekommen. Viele tausend
Menschen, darunter auch zahlreiche Schüler, zogen durch die Simeonstraße, über
den Hauptmarkt und durch die Brotstraße zum »Trierischen Hof«, in dem sich damals
das französische Offizierskasino befand, und sangen nicht nur »Deutschland, Deutschland
über alles«, die » Wacht am Rhein« und »siegreich wollen wir Frankreich schlagen «;
auch Fensterscheiben wurden eingeschlagen und Drohungen ausgesprochen. Die Besatzer
setzten Militär ein: berittene nordafrikanische Spahis räumten mit der flachen Klinge
die Straßen, der Belagerungszustand mit Ausgehsperre und Versammlungsverbot wurde
verhängt. Trotzdem kam es am nächsten Tag erneut zu Ansammlungen und Kundgebungen
, wieder unter reger Beteiligung von Gymnasiasten. Erst nach zähen, aber von beiden
Seiten dann doch auch kompromißbereiten Verhandlungen trat wieder Ruhe ein.

Und dann folgte die lange, zermürbende Zeit des zähen, passiven Widerstandes einerseits
und der unberechenbaren, willkürlichen Ausweisungen und Schikanen andererseits.
Die Ruhrbesetzung erwies sich für Frankreich zwar wirtschaftlich und politisch als Fehlschlag
, aber am Ende der Auseinandersetzung stand schließlich doch - wegen der finanziellen
Unterstützung, die das Reich der Bevölkerung hatte gewähren müssen - der völlige
Zusammenbruch der deutschen Währung in der Inflation. Die Reichsregierung mußte
am 26. September 1923 den Passiven Widerstand abbrechen. Die Enttäuschung, besonders
im Rheinland, war groß. Die Räumung des Ruhrgebietes wurde im August 1924 zugesagt
und bis Ende August 1925 auch durchgeführt.

Das Provinzialschulkollegium zu Koblenz hat im Juli 1927 die Direktoren der höheren
Lehranstalten der Rheinprovinz aufgefordert, über die Auswirkungen der Besetzung des
Rheinlands auf das höhere Schulwesen zu berichten3'. Die im Passiven Widerstand ausgewiesenen
Lehrer sollten Verlauf und Auswirkung iher Ausweisung darlegen. Diese Berichte
der Lehrer sind in einem Sammelband des Provinzialschulkollegiums überliefert4',
die der Trierer Lehrer werden nachstehend veröffentlicht.

Es erübrigt sich, diese - hier in chronologischer Folge der Ausweisung angeordneten -
Berichte zu kommentieren. Sie zeigen ein breites Spektrum des Verlaufs der Ausweisun-

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