http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1983-02/0057
Die Politik ist
»die Fortsetzung der Privatgeschäfte mit anderen Mitteln - das sollte der Wahlspruch
der Demokratie sein«.
Für ihn war »das parlamentarische Zeitalter unwiderruflich zu Ende«, denn — so erklärt
er:
»Wer auf der Höhe seiner Zeit steht, mußte 1830 Demokrat sein und 1930 das
Gegenteil davon.«
Er prophezeite:
»Deutschland wird keinen 2. Goethe, wohl aber einen Caesaren hervorbringen.
Deutschland wird die Rolle Roms im Altertum übernehmen.«
Er hält die Deutschen für
»ein monarchisches Volk durch ihren germanischen Zug der Gefolgschaftstreue
und die Unterordnung unter einen Führer«
und fordert
»ein leitender Typus ist notwendig!«
Und er will einen neuen Typ Mensch, »herrisch und kraftvoll« schaffen. Eine Elite soll
gezüchtet werden.
Er konstatiert
»Viel zu viel Bildung — keine Zucht« und
fordert darum
»Erst Haltung - dann Wissen«. -
Auch hier läßt sich ein Kreis mit Hitler und dem Nationalsozialismus schließen. Hier
zeigt sich, was solche Thesen ausrichten können, wenn sie in politisch-wirtschaftlichen
Krisenzeiten verbreitet, zu Allgemeingut werden oder wenn gewissenlose Gewaltmenschen
sie übernehmen.
Ich will noch einen Letzten nennen, der erst vor wenigen Wochen - unter Protest vieler
Demokraten - in Frankfurt hochgeehrt wurde. Es ist Ernst Jünger. In seinen - viel gelesenen
- Büchern »Der Arbeiter« und »Krieg und Krieger« schildert er den Menschen
des 20. Jahrhunderts, der in der Schlacht, »dem großartigen Schauspiel der Zerstörung«
erwächst:
»In den Schützengräben des Weltkriegs, im sozialistisch gefärbten Herzen der
Jugend, im Schmelzofen der Nachkriegsjahre ist ein neuer, reiner Mensch entstanden
.«
Dieser neue Mensch ist anti-individualistisch, er ist anti-intellektuell. Er fordert:
»Ich will nicht ich sein, ich will wir sein!«
Der Gedanke der Hitler'schen Volksgemeinschaft ist damit geboren.
An die Spitze, in die Führung gehören unkomplizierte Kraftnaturen; für all diese gilt:
»Je weniger Bildung im üblichen Sinn diese Schicht besitzt, desto besser wird es
sein.«
Bedauernd stellt er fest:
»Leider hat uns das Zeitalter der allgemeinen Bildung einer tüchtigen Reserve
von Analphabeten beraubt.«
Und die neue Zeit, die anbrechen wird, schildert er so:
»Das tiefste Glück des Menschen besteht darin, daß er geopfert wird und die
höchste Befehlskunst darin, Ziele zu zeigen, die des Opfers würdig sind.«
Seine Devise ist: Kampf um des Kampfes willen, und alles Schwache muß beseitigt
werden, also auch der schwache Staat von Weimar.
Diese Ideen übernahm Hitler, er baute sie aus und als geschicktem Agitator liefen ihm
alle die zu, die sich mit der neuen Demokratie nicht zurechtfanden. Und sie riefen nach
einem Führer, der die Schwäche der Republik überwinden und das Gezänke der Parteien
beenden sollte.
Das ist eine Wurzel des Nationalsozialismus. Eine zweite Wurzel war der Rassismus,
in dem sich Antisemitismus und eine überlebte Rassenlehre trafen.
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